Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
eigenen Pferd reiten werden, jede in die eigene Richtung, und ich spüre es in meinem Bauch prickeln.
„Wir können trotzdem zusammen sein“, sage ich.
„Wir werden uns immer haben“, sagt Großmutter.
Vikurs Pferde grasen zu beiden Seiten des Wassers, das das Tal in zwei Teile teilt.
„Siehst du das Fohlen, Jóhanna?“
Großmutter treibt Rauður an, umkreist die Herde, näher und näher an das Fohlen heran, das ausgestreckt im Gras liegt, das Stutenfohlen, das in den ersten warmen Winden geboren wurde und deswegen Sunnanvind heißen soll. Es liegt ganz still! Es ist doch nicht tot? Ich will Großmutter gerade fragen, da senkt die Stute den Kopf und stupst den kleinen Körper an. Das Fohlen richtet sich auf langen wackligen Beinen auf, fährt mit dem Maul suchend an der Flanke der Mama entlang, taucht mit dem Kopf unter ihren Bauch, stößt mit dem Maul und findet die Zitzen. Das Fohlen hat Milch am Maul, als die Stute entscheidet, dass sie fliehen müssen, sie treibt das Fohlen an, weg von uns.
„Heute kommen wir ihnen nicht näher“, sagt Großmutter.
„Aber das Fohlen gehört doch mir, wenn wir beide groß sind?“
„Genau so haben wir uns das gedacht“, antwortet Großmutter. „Aber bis dahin kann noch viel passieren.“
„Was?“
„Eben das, was man nicht weiß, Jóhanna.“
„Aber Papa hat gesagt …“
„Diese Pferde hier gehören Vikur, dir, mir, Papa …“, sagt Großmutter. „Aber sie gehören auch sich selbst, im Sommer führen sie ein freies Leben in den Bergen, das weißt du, Jóhanna.“
„Ich will nicht, dass Sunnanvind in die Berge geht. Stell dir vor, sie kommt nicht zurück!“
Großmutter dreht sich um und streichelt mir über die Wange, aber ich gucke weg, will böse sein, will diejenige sein, die über das Fohlen bestimmt.
„Ich merke, du hast das kleine Fohlen schon in dein Herz geschlossen“, sagt Großmutter. „Aber dann musst du auch lernen, das Beste für das Pferd zu wollen, du musst ihm die Freiheit lassen, Jóhanna.“
I eitt
Jóhanna frá Íslandi
Es war ein großer Tag, als ich die Aufgabe bekam, Kasper zu pflegen. Es bedeutete mir alles. Ich war neun Jahre alt und eine gute Fee hatte beschlossen, ausgerechnet mich glücklich zu machen. Endlich gehörte ich auch einmal zu den Auserwählten. Gehörte dazu. Da tat es nicht mehr so weh, dass nie etwas aus einer Reise nach Island wurde, dass Papa meinen Geburtstag vergaß, dass er nie Geld hatte, um mich besuchen zu können. Meistens rief Großmutter an. In der Telefonleitung knisterte es, und es klang, als würde Großmutter draußen am tobenden Meer stehen.
„Jóhanna frá Íslandi?“, fragte sie, wenn ich mich meldete.
Ich verstand immer weniger von dem, was sie erzählte, aber ich hörte ihre Stimme so gern. Wusste sie das? Selten sagte ich etwas anderes als Ja oder Nein, aber wenn ich den Hörer auflegte, war ich froh. Ich war wieder Jóhanna frá Íslandi, saß wieder hinter Großmutter auf einem breiten Pferderücken und hatte viel zu große rote Gummistiefel an den Füßen. Seltsamerweise erinnere ich mich am besten an die Stiefel. Wie ich darum kämpfen musste, sie beim Reiten anbehalten zu dürfen.
Als ich noch kleiner war, habe ich immer mit Papa, den Großeltern und der Pferdeherde angegeben. Aber niemand konnte sich vorstellen, wie es war, vom Beben der Erde aufzuwachen. Dann war ich aus dem Bett gesprungen und hatte mich ans Fenster gesetzt, um zuzusehen, wie die Herde angestürmt kam, suchte mit dem Blick nach dem Fohlen, Sunnanvind, dem wilden, das meins werden sollte, das mir gehörte. Wenn ich den anderen davon erzählte, fanden sie es nur merkwürdig.
„Was hat man denn von einem Papa, der auf Island fünfzig Pferde besitzt, wenn man doch nie da ist“, sagte Janna, eins der Mädchen in der Reitschule.
„Ich hab jedenfalls ein eigenes Pferd“, prahlte ich.
„Das du zuletzt gesehen hast, als es ein Fohlen war“, schnaubte Lottie. „Ein Islandpferd …“
„Übrigens“, sagte Janna, „woher sollen wir eigentlich wissen, ob du nicht lügst, wenn wir das Pferd nie zu sehen kriegen.“
Großmutter hatte mir versprochen, Fotos zu machen, aber sie besaß keine Kamera und sie konnte es sich nicht leisten, eine zu kaufen. Mama sagte, alles Geld müssten sie in den Hof stecken, um ihn zu erhalten. Sie sagte, dass Großmutter bestimmt gern fotografieren wollte, aber dass ich mir nicht allzu viele Hoffnungen machen sollte.
Ich hörte auf, von Island zu reden. Das Einzige,
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