Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
geredet, dass er einen Stallburschen halb totgeprügelt hat, weil sein Pferd nicht fertig war.« Sie verdrehte die Augen. »Wenigstens ist es mir gelungen, mich ein paar Tage von ihm fernzuhalten.«
Tris sah sie an und runzelte die Stirn. »Wo hast du diesen blauen Fleck an deinem Arm her?«
Kait befühlte verlegen die Stelle. »Ist halb so wild«, sagte sie und wich seinem Blick aus.
»Danach habe ich nicht gefragt, Kaity.« Tris blieb beharrlich. Er konnte seinen Zorn schon brennen spüren, für diese Verletzung und all die anderen im Laufe der Jahre.
Kait mied seinen Blick immer noch. »Ich habe es verdient«, seufzte sie. »Jared ließ seine Wut an einem der Küchenhunde aus, und ich warf ihm einen Brotlaib an den Kopf, um den Welpen entwischen zu lassen.« Sie zuckte zusammen. »Er war nicht sehr sehr glücklich darüber.«
»Verdammt soll er sein!«, fluchte Tris. »Keine Angst, Kait. Ich werde dafür sorgen, dass er sich von dir fernhält«, versprach er, doch wussten sie beide, dass Tris’ früheren Versuchen in diese Richtung nur begrenzter Erfolg beschieden gewesen war.
Kait rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Nach der Feier, meinst du, du könntest mir da einen deiner Breiumschläge auflegen? Es tut schon ein bisschen weh.«
Tris zerzauste ihr das Haar und empfand eine solche Mischung aus Wut auf Jared und Liebe für Kait, dass er glaubte, ihm müsse das Herz brechen. »Aber sicher doch, Kaity. Ich muss nicht einmal mehr die Kräuter aus der Küche stibitzen.«
Vor langer Zeit, als sie noch Kinder gewesen waren, hatte Tris oft nächtliche Ausflüge in die Küche unternommen und sich dort heimlich die Kräuter besorgt, die er brauchte, um die von Jared zugefügten Prellungen und Schrammen zu verarzten. Obwohl er nur acht Jahre älter als Kait war, war er vom Tag ihrer Geburt an ihr selbst ernannter Beschützer gewesen. Vielleicht hatte es ihn gerührt, wie klein und einsam sie in den Armen des Kindermädchens gewirkt hatte. Möglicherweise war es auch Tris’ Furcht, ein Baby könnte sich als unterhaltsameres Ziel für Jareds grausamen Humor erweisen als die glücklosen Hunde und Katzen, die mit erschreckender Regelmäßigkeit aus der Kinderstube verschwanden.
Kait und Tris hielten zusammen, und er ließ viele Launen Jareds über sich ergehen, um sie davor zu bewahren. Jared hatte ein Kindermädchen nach dem anderen mit seinen Zornausbrüchen vertrieben. Als Kait älter wurde, fanden sie und Tris ein wenig Sicherheit, indem sie sich gegen Jared zusammentaten und dadurch kein so leichtes Ziel mehr abgaben, sodass er sich oft widerwillig zurückhalten musste.
»Vater darf nicht mehr lange die Ohren verschließen«, meinte Kait nachdenklich und riss Tris aus seinen Gedanken.
Er schüttelte den Kopf. »Und doch wird er es tun«, sagte er. »Er will kein Wort von dem hören, was ich sage, obwohl er und Jared sich immer häufiger streiten. An manchen Tagen habe ich den Eindruck, sie streiten sich übers Guten-Morgen-Sagen.«
Kait seufzte, und der Vogel auf ihrem Handschuh tänzelte nervös hin und her. »Vielleicht Mutter –?«
Wieder schüttelte Tris verneinend den Kopf. »Jedes Mal, wenn sie versucht etwas zu sagen, wirft Vater ihr vor, ihre eigenen Kinder Jared gegenüber zu bevorzugen. Ich glaube, er hat Eldras Tod nie ganz verwunden.« Jareds Mutter war gestorben, als sie Bricens Erstgeborenem das Leben schenkte, und der König hatte beinahe zehn Jahre gebraucht, um den Willen zu finden, sich erneut zu vermählen – eine Dekade, in der Bricen sich seiner Verzweiflung hingab und der junge Prinz Jared wenig Beaufsichtigung und noch weniger Zurechtweisung erfuhr.
»Mutter will es nicht einmal mehr zur Sprache bringen«, fuhr Tris fort. »Sie versucht einfach nur noch, dich von ihm fernzuhalten.«
»Oh, oh!«, sagte Kait leise. »Noch mehr Ärger!« Tris folgte ihrem Blick über den brechend vollen Saal hinweg bis hin zu der rot gewandeten Gestalt, die im Eingang aufgetaucht war. Stille senkte sich über den Raum. Gekleidet in die fließenden, blutfarbenen Roben eines Feuerclan-Magiers bahnte sich Foor Arontala, Jareds erster Ratgeber, seinen Weg durch das Gedränge. In dem verzweifelten Versuch ihm auszuweichen teilte sich die Menge vor ihm, doch das fein geschnittene, porzellanblasse Gesicht, das unter einer schweren Kapuze und langem, dunklem Haar hervorschaute, nahm von ihrer Anwesenheit nicht einmal Notiz.
»Ich hasse ihn!«, wisperte Kait mit so leiser Stimme, dass nur Tris und
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