Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Mann.« Grinsend massierte er sich die Knöchel. »Daran bin ich mehr als einmal erinnert worden, als ich auf der Schule war.«
»Spuken lässt sich aber viel leichter sagen«, erwiderte der Barde verschmitzt. »Außerdem, wie sonst sollte man einen Feiertag für tote Leute nennen?«
»Ich glaube fast, dass dir der tiefere Sinn des Ganzen entgeht«, lachte Tris.
»Ich sehe euch drei später«, sagte Kait und langte nach oben, um ihren Falken zu beruhigen, als wieder eine lärmende Gruppe Feiernder vorüberzog. »Ein gutes Fest euch«, rief sie. »Geratet nicht in zu viel Schwierigkeiten!«
»Du hast leicht reden«, erwiderte Tris. Er wandte sich zu Carroway um, während Kait mit der abziehenden Menge verschmolz. »Lass uns gehen, oder wir kommen zu spät zum Fest.« Die drei jungen Männer waren mit Abstand Margolans begehrteste Junggesellen, noch keine zwanzig Jahre alt, und die Ziele der ehrgeizigen Mütter bei Hofe. Während Soterius Gefallen an der Aufmerksamkeit fand und selten ohne eine Dame am Arm anzutreffen war, suchte sich Carroway seine Partnerinnen eher unter den Unterhalterinnen, Sängerinnen oder Musikantinnen des Schlosses, deren Talent er respektierte und die nicht ob seiner Freundschaft mit Tris und seiner Stellung bei Hofe in Ehrfurcht erstarrten.
Zum Leidwesen vieler Mütter am Hof und sogar, wie Tris bisweilen vermutete, seiner eigenen Mutter Sarae war Tris den Heiratsvermittlern bisher erfolgreich ausgewichen. Jareds Eskapaden machten Tris argwöhnisch, und derjenigen unter den Töchtern des hiesigen Adels, die häufiger als ein Mal imstande war, eine interessante Unterhaltung zu führen, musste er erst noch begegnen. Seine selbst auferlegte Einsamkeit stand in krassem Gegensatz zu Jareds Zügellosigkeit, und Tris war sich der Tatsache wohl bewusst, dass mancher Witzbold am Hof sich seine eigene, weniger schmeichelhafte Erklärung zurechtlegte für seine mangelnde Bereitschaft, sich mit der gleichen Regelmäßigkeit Gefährtinnen zu wählen und wieder fallen zu lassen wie der übrige Hofstaat. Sollten sie doch reden, sagte er sich. Er hatte nicht die Absicht, eine Braut nach Shekerishet zu führen, solange Jared in der Nähe war, und noch weniger den Wunsch, seine eigenen Kinder Jareds Grausamkeiten auszusetzen.
Eines Tages vielleicht , dachte er versonnen, als er beobachtete, wie Soterius und Carroway ungezwungen mit den kostümierten Mädchen scherzten, die an ihnen vorüberzogen. Eines Tages, wenn ich sicher aus Shekerishet heraus bin und dauerhaft auf Vaters Landgut lebe, weit weg vom Hof, weit weg von Festlichkeiten, weit weg von Jared.
»Wahrsagen?«, krächzte eine Stimme hinter ihnen. Erschrocken drehte Tris sich um und sah sich einer gebeugten alten Frau in einer Nische gegenüber, die ihn mit einem knorrigen Finger heranwinkte. Er wusste sofort, dass sie einer der Geister des Schlosses war, auch wenn in dieser Nacht die Gespenster offen umgingen und körperlich schienen. »Für Euch, Prinz Drayke, und Eure Freunde kostet es nichts.«
»Wo ist sie auf einmal hergekommen?«, murmelte Soterius.
Carroway zuckte die Achsel. »Lasst uns sehen, was unser Schicksal für uns bereithält!«
»Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich es wissen will«, sträubte sich Soterius, aber Carroway zog Tris bereits am Ärmel mit sich.
»Komm schon!«, stichelte Carroway. »Ich will wissen, wie groß mein Ruhm als Barde sein wird!«
»Das meinst aber auch nur du!«, brummte Soterius. »Wirklich, ich bin mir nicht sicher –«
»Ich finde, Ban hat recht«, murmelte Tris.
»Wo bleibt denn euer Abenteuergeist? Nun kommt schon!« Der Barde ließ nicht locker.
Die alte Vettel sah auf, als sie näher kamen. Sie kaute selbstvergessen auf einem Bündel Traumkraut herum, und ein bisschen Speichel tropfte an ihrem stoppeligen Kinn herunter, als sie sich eine Locke fettigen Haars aus dem Gesicht strich und nickte und mit stechend grünen Augen, die durch die drei Freunde hindurchzusehen schienen, alles in sich aufnahm. Ihr Kleid war aus verblasster Seide, einst kostbar, doch jetzt schon lange verschlissen, und sie roch nach Gewürzen und Moschus.
Die Seherin saß vor einem niedrigen Tisch mit verschlungenen Schnitzereien, in dessen abgenutzte Oberfläche komplizierte Runen eingearbeitet waren; auf seiner Mitte lag auf einem goldenen Ständer eine Kristallkugel. Sowohl die Kugel als auch der Ständer waren von weitaus größerer Qualität, als Tris es erwartet hatte, und er besah sich die Alte mit neu
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