Im Bann des Prinzen
schon in ihrer Jugend immer benutzt hatten. Damals hatten sie nur einander gehabt, doch die Umstände erforderten jetzt, dass sie sich voneinander fernhielten. Tony fragte sich, ob seine Brüder auch das Gefühl hatten, einen Teil von sich verloren zu haben?
âSeine Sekretärin sagt, er sei zu einer Notfall-OP gerufen worden. Dafür braucht er noch ein paar Stunden. Offenbar hat Carlos es erfahren, als er sich für die Operation vorbereitete, aber du kennst ja unseren Bruder.â Duarte, der mittlere der drei Brüder, war meist derjenige, der als Nachrichtenbote für ihren Vater auftrat. Die drei Brüder sprachen miteinander und trafen sich, wenn es sich einrichten lieÃ, aber es gab so viele unangenehme Erinnerungen an ihre Kindheit, dass die Abstände zwischen diesen Treffen immer gröÃer wurden.
âWenn ein Patient Hilfe braucht â¦â, meinte Tony.
âGenau.â
Vermutlich würde es noch Stunden dauern, bevor sie von Carlos hörten, da er höchst komplizierte chirurgische Eingriffe bei Kindern vornahm. âHast du eine Ahnung, wie das alles ans Licht gekommen ist?â
Sein Bruder stieà einen Fluch aus. âDer Global-Intruder hat ein Foto von mir gemacht, als ich unsere Schwester besucht habe.â
Kurz, nachdem sie in die Staaten geflüchtet waren, hatte ihr Vater eine kurze Affäre gehabt, aus der Eloisa hervorgegangen war. Zwar war Enrique verzweifelt und voller Schuldgefühle über den Tod seiner Frau gewesen. Das hatte ihn jedoch nicht davon abgehalten, mit einer anderen Frau ins Bett zu gehen. Die hatte später einen anderen Mann geheiratet, der ihre Tochter wie seine aufgezogen hatte.
Tony hatte seine Halbschwester nur einmal getroffen. Damals war er allerdings noch ein Teenager gewesen, und sie nicht älter als sieben. Jetzt hatte sie in eine angesehene Familie eingeheiratet, die nicht nur über politischen Einfluss, sondern auch über ein dickes Bankkonto verfügte. Konnte es sein, dass sie ihnen die Presse auf den Hals gehetzt hatte, um kostenlose PR für ihre neuen Verwandten herauszuschlagen? Duarte schien zu glauben, dass sie genau wie er und seine Brüder viel Wert auf ihre Anonymität legte. Aber vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt?
âWarum hast du Eloisa besucht?â
âFamilienangelegenheiten. Das ist jetzt unwichtig. Ihre Verwandten waren da. Eloisas Schwägerin â die Frau des Senators â ist auf einem Stein ausgerutscht. Ich habe sie aufgefangen, sonst wäre sie ins Wasser gefallen. Irgendeine verdammte Reporterin, die mit einem Teleobjektiv in einem Baum gesessen hat, hat das mitbekommen. Was eigentlich nicht so schlimm gewesen wäre, denn Senator Landis und seine Frau standen auf dem Foto im Mittelpunkt. Ich weià noch immer nicht, wie die Fotografin herausbekommen hat, wer ich bin, aber es ist nun mal passiert. Tut mir leid, dass ich auch dir damit die Meute auf den Hals gehetzt habe.â
Duarte hatte nichts falsch gemacht. Sie konnten schlieÃlich nicht in einer Luftblase leben. Insgeheim hatte Tony immer gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann ihre Tarnung auffliegen würde. Vierzehn Jahre lang war es ihm gelungen, anonym zu leben, seinen beiden älteren Brüdern sogar noch länger.
âVon uns allen ist gelegentlich schon irgendwo ein Foto erschienen. Wir sind keine Vampire. Es ist nur verrückt, dass sie die Verbindung herstellen konnte. Dumm gelaufen.â
âWas hast du für Pläne?â
âMich in meinem Haus verschanzen und einen Schlachtplan erstellen. Sag Bescheid, wenn du von Carlos hörst.â
Er beendete das Telefonat und ging ins Wohnzimmer, um nach Kolby zu sehen â der Kleine schlief tief und fest. Tony setzte sich aufs Sofa und checkte seine Mails auf dem iPhone. Keine der Mails, die er kurz anklickte, enthielt Neuigkeiten, doch als er sich ins Internet einloggte, zuckte er zusammen. Die Gerüchteküche brodelte.
Dass sein Vater vor Jahren an Malaria gestorben war â falsch.
Vermutungen, dass Carlos sich einer Schönheitsoperation unterzogen hatte â auch falsch.
Spekulationen, dass Duarte einem tibetischen Mönchsorden beigetreten war â definitiv falsch.
Und dann waren da die Geschichten über ihn und Shannon, die der Wahrheit entsprachen. Die Storys über die âGeliebte des Monarchenâ häuften sich. Tony verspürte heftige Schuldgefühle, weil
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