Im Bus ganz hinten
untergebracht. Sie wohnten ein Stockwerk über uns. Und Yazids Theorie klang nicht ganz unlogisch: Unsere reichen Klassenkameraden besaßen selbst genug und hatten deshalb vermutlich nur wenig Interesse an einer mit Diebstahl kombinierten Verwüstungsorgie. Außerdem konnte das Chaos schon allein deshalb niemand aus unserer Klasse angerichtet haben, weil wir ja den ganzen Tag gemeinsam unterwegs gewesen waren. Mit unserem detektivischen Spürsinn hatten wir also unsere Schuldigen gefunden. Und so beschlossen Yazid und ich, einmal etwas Gutes zu tun und unsere Klasse zu rächen.
Heimlich schlichen wir uns in den Gang, in dem die anderen untergebracht waren.
»Die Luft ist rein«, flüsterte Yazid.
»Ich glaube, die sitzen gerade alle beim Essen im Speiseraum.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, waren wir schon in das erste Zimmer eingebrochen und hatten angefangen, die Sachen der anderen Kinder auseinanderzunehmen. Wir schmissen die Betten um, räumten die Koffer aus und warfen die Klamotten aus den Fenstern. Bücher, Haarbürsten und Shampoo-Flaschen flogen durch den Raum.
»Was die können, können wir schon lange«, sagten wir uns und hatten, ehrlich gesagt, großen Spaß an der Randale. Wir lachten die ganze Zeit laut und stachelten uns gegenseitig an. Erst als wir das gesamte Stockwerk in ein absolutes Trümmerfeld verwandelt hatten, gingen wir zufrieden zurück in unser Zimmer und machten eine große Tüte Chips auf.
»Zur Feier des Tages«, jubelte ich. Dabei hielten wir uns weiter die Bäuche – und dass es an der Tür klopfte, bekamen wir gar nicht mit. Erst als jemand rief: »Patrick, Yazid! Kommt sofort da raus!«, checkten wir den Ernst der Lage. Wir schauten uns gegenseitig an und sahen, wie unsere Gesichter von einer Sekunde zur nächsten versteinerten. Vor unserem Zimmer stand Herr Köhler. Sein Ton klang ziemlich wütend. Normalerweise war er sehr sanftmütig und deshalb unser Lieblingslehrer, aber jetzt war er stinksauer. Als er die Tür aufriss und das Zimmer betrat, war sein Gesicht vor Wut rot angelaufen, und seine Augen waren zu kleinen Schlitzen zusammengezogen.
»Wieso habt ihr das gemacht!?«, fuhr er uns an.
»Was denn?«, fragte ich scheinheilig.
»Ihr braucht gar nicht so zu tun. Wer sonst soll denn da oben alles kaputt gemacht haben? Soll ich die Polizei rufen?«, fragte er.
»Wir waren das nicht«, log ich. Ich empfand es als Beleidigung, dass sein Verdacht sofort auf uns fiel – wobei er natürlich recht hatte: Wer außer uns sollte es schon gewesen sein? »Raus mit der Sprache«, ermahnte er uns noch einmal. Yazid sah schließlich ein, dass wir keine Chance hatten.
»Is’ schon gut – ich geb’s zu«. Er hatte Schiss vor den Bullen und gestand alles. Schon eine halbe Stunde später hatten wir unsere Mütter am Telefon.
»Wie konntest du nur? Sei doch einmal brav! Alle anderen benehmen sich doch auch. Das ist echt peinlich. Jetzt ist dein Ruf an der neuen Schule auch schon wieder versaut«, meckerte meine Mutter.
Die Klassenfahrt war für Yazid und mich natürlich gelaufen. Es stellte sich zwar heraus, dass wirklich die Kids der anderen Schule an der Verwüstung unserer Zimmer schuld gewesen waren. Aber Herr Köhler war trotzdem der Meinung, dass wir uns unsere selbstgerechte Rache hätten sparen müssen. Deshalb steckte er uns in den nächsten Bus zurück nach Berlin. Die anderen standen bei unserer Abreise mit dummen Gesichtern auf dem Flur und starrten uns wortlos an. Nicht einer stellte sich auf unsere Seite oder begriff, dass wir eigentlich auch deren Sachen hatten verteidigen wollen. Uns blieb nichts anderes übrig: Wir lachten sie aus und liefen mit unseren Koffern zu zweit aus der Jugendherberge heraus. Tschüss, ihr Opfer!
Im Bus ganz hinten
Wenn man im Berliner Getto jemand sein will, dann muss man im Bus ganz hinten sitzen. Die letzte Reihe ist sozusagen Hoheitsgebiet. Dort ist alles zugebombt mit Tags – also mit den Zeichen, welche die Sprüher hinterlassen, um ihr Revier zu markieren. Nur die Allergeilsten trauen sich, hier ihren Namen zu verewigen. Straßenleute. Meistens Ausländer. Auf jeden Fall die, die was mit Hip-Hop zu tun haben.
Ich bin immer mit dem 186er von Lichterfelde nach Steglitz gefahren. Und eines Tages beschloss ich, ins Hoheitsgebiet vorzudringen. Schon als ich die Treppe im Doppeldecker nach oben ging, bekam ich Herzrasen. Ich wurde von allen angestarrt. Die Coolen in der letzten Reihe wurden mit einem Mal still und
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