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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fler
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kritzelst doch eh nur wieder alles voll damit, und am Ende darf ich für die Sauerei dann bezahlen. Du kriegst keine Stifte mehr von mir. Basta!« Scheiße, dachte ich mir. Dann musste ich mir halt welche klauen. Ein spitzenmäßiger Plan! Mit der U-Bahn fuhr ich direkt los in die Schlossstraße, um mir dort eine ganze Ladung Stifte zu besorgen. Schon in der Bahn fühlte ich mich anders als sonst. Irgendwie beobachtet. Ich hatte das Gefühl, alle würden mich anstarren. Aber ich blieb cool und fuhr weiter. Die Einkaufsstraße war ziemlich voll. Die Leute drängten sich in die Läden und liefen mit ihren Taschen und Tüten über den Bürgersteig. Ich ging direkt in das nächste Kaufhaus und fuhr mit der Rolltreppe in die zweite Etage. Ich hatte mir extra meinen dicken hellblauen Kapuzenpulli angezogen, unter dem man so einiges verstecken konnte. Nervös, aber gezielt ging ich zum Regal meiner Träume. Wow, so viele Stifte. In allen Farben und Größen, ein Fach neben dem anderen. Ich fasste sie alle an und war fasziniert: Was ich damit alles volltaggen könnte! Ich atmete hastig ein und wieder aus. Ich hatte Panik. Aber ich überwand meine Angst, und als keiner hinsah, packte ich ganz schnell zwei Edding 800 und stopfte sie in die Seitentaschen meines Pullis. Ich hatte mir vorher einen schlauen Plan zurechtgelegt: Ich dachte, wenn ich erst mal eine Etage runterfahre, würde keiner bemerken, dass ich etwas geklaut hatte. Dort unten waren ja auch noch Kassen, und selbst wenn man mich erwischte, könnte ich dann sagen, ich würde in einem anderen Stockwerk bezahlen wollen.
    Gesagt, getan. Ich gab mich ganz gechillt und stellte mich auf die Rolltreppe nach unten. Ich fühlte mich ziemlich sicher bei der Sache und sah mich schon im Bus ein richtig geiles Werk an die Wand malen. Mann, war ich smart. Dachte ich.
    Doch dann legte sich von hinten eine Hand auf meine Schulter, die so groß war wie ein Toilettendeckel.
    »Junge, was hast du da in deiner Tasche?«, säuselte mir eine unangenehme Stimme ins Ohr. Ich drehte mich um und sah den Kaufhausdetektiv mit Todesblick. Sag was, sag was, befahl ich mir selbst. Aber aus meinem Mund kam vor lauter Schock kein Ton. Nur innerlich schrie ich. Der Typ zog mich am Arm durch den ganzen Laden in ein muffiges Büro. Ich war immer noch wie gelähmt vor Angst, als ich dort ankam. Er schubste mich auf einen Stuhl und machte mich mit Handschellen an einem Stuhl fest. War das nicht ein wenig übertrieben? »Damit du mir hier nicht abhaust, du Dieb!«, erklärte er. Dann fing er an, mich zu verhören.
    »Name!«, befahl er. Ich wollte ihm zuerst nur meinen Vornamen verraten, aber er bohrte weiter: »Nachname! Und Telefonnummer von zu Hause!« Der Typ schob voll den Film und machte auf FBI. Ich glaube, in dem Moment muss er unglaublich stolz gewesen sein, einen kleinen Jungen beim Stifteklauen erwischt zu haben. Und ich bekam richtig Schiss: Der wird doch jetzt nicht meine Mutter verständigen? Ich bettelte: »Bitte nicht anrufen!« Doch der FBI-Mann hatte die Nummer schon gewählt. Eine halbe Stunde später holte mich meine Erzeugerin, stolz wie immer, in dem Verhörzimmer ab.
    »Wie peinlich! Es ist eine Schande«, schimpfte sie.
    »Wieso lässt du dich bei so einem Scheiß erwischen? Deinetwegen musste ich jetzt extra hierherfahren. Du machst mir dauernd nur Umstände.«
    Dass ich geklaut hatte, war ihr offensichtlich scheißegal. Sie war nur genervt, weil ich mich dabei hatte erwischen lassen. Und: Sie schämte sich für mich. Wieder einmal. Mit hängendem Kopf murmelte ich leise: »Es tut mir leid, Mama.«
ADHS
    Die Schule und ich – das klappte immer weniger. Richtig gut war ich ja ohnehin nie gewesen, eher schlechtes Mittelmaß – ich hatte es im Durchschnitt meist auf eine Drei oder Vier gebracht. Aber jetzt ging’s total bergab. Ich wurde immer mieser. Deshalb verstand ich umso weniger, wie meine Mutter eines Tages auf die waghalsige Idee kommen konnte, mich aufs Gymnasium zu schicken. Ausgerechnet mich!?
    Okay, sie meinte es wahrscheinlich nur gut, sie wollte einfach, dass aus mir etwas wurde. Gleichzeitig hatte sie aber die etwas anstrengende Macke, dass sie mir ständig einzureden versuchte, ich sei ein hoffnungsloser Psycho. Sie hatte wahnsinnige Angst, dass ich mich auch an der neuen Schule danebenbenehmen und sie wieder blamieren könnte. Und weil sie trotzdem unbedingt wollte, dass ich aufs Gymnasium ging, schickte sie mich vorab zu einem Heilpraktiker in Prenzlauer Berg.

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