Im eigenen Schatten
Verhaftung der Pixner-Brüder. Seine Leute hatten die noch warmen Betten leer vorgefunden und daraufhin den Hof auf den Kopf gestellt. Die Gangster leisteten keinen Widerstand, als man sie aus ihrem Versteck holte. Ignaz und Johann Pixner würden umgehend an die Sonderkommission überstellt werden, während ihr Cousin Anton in Bozen verhört wurde. Auch zwei Umschläge mit fast hunderttausend Euro waren beschlagnahmt worden.
Der Rechtsanwalt wirkte nervös und angespannt, als er mit Donna Rita in Laurentis Büro am Besprechungstisch Platz nahm, an dem ihnen der Commissario und der Staatsanwalt gegenübersaßen. Inspektorin Cardareto nahm die Stirnseite ein, während Marietta an Laurentis Computer Protokoll führte. Sie gehörte zu den wenigen, die das Zehnfingersystem perfekt beherrschten. Auf dem Tisch standen zwei Mikrofone.
Laurenti hatte die beiden zunächst sehr zuvorkommend auf dem Flur begrüßt, als sie um dreizehn Uhr eintrafen, und sich dafür bedankt, dass sie sich die Zeit nahmen, nach Triest zu kommen; bei der angespannten Wirtschaftslage könnten damit unnötige Reisekosten vermieden werden. Während Donna Rita ihm betont freundlich beipflichtete, wirkte der Anwalt, als wäre er mit den Gedanken woanders.
Seine Kanzlei hatte ihn erst vor kurzem von dem Rollkommando unterrichtet, das in den frühen Morgenstunden auf dem Hof über Riffian eingefallen war. Galimberti hatte angeordnet, dass einer seiner Mitarbeiter die Pixners betreuen sollte, bis er zurück sei. Übermorgen würde er sich dann wieder selbst um die beiden kümmern. Doch in der Questura gestaltete die Sache sich anders, als er gehofft hatte. Als Laurenti sie in sein Büro führte, er die Gerätschaften sah und der Staatsanwalt sich vorstellte, begriff er sofort, dass die Sache ernst war.
»Signora Carli, dies ist eine offizielle Vernehmung, bei der Sie als Zeugin im Mordfall Franz Xaver Spechtenhauser gehört werden«, sagte der Commissario, nachdem Marietta die Personendaten festgehalten hatte.
»Nach Paragraf 372 der Strafprozessordnung wird Zeugnisverweigerung oder das Ablegen eines falschen Zeugnisses mit Gefängnis von zwei bis sechs Jahren bestraft«, ergänzte Staatsanwalt Lorusso ausdruckslos. »Bestätigen Sie, dass ich Sie darüber belehrt habe?«
»Ja.« Donna Rita nickte.
Der Anwalt richtete sich schlagartig auf und hob die Hand. »Ich möchte meine Mandantin instruieren. Nemo tenetur se detegere. Sie ist nicht dazu verpflichtet, Aussagen zu machen, die sie selbst oder Familienangehörige belasten würden.«
»Fragen Sie, Commissario«, sagte Donna Rita gelassen. »Ich habe großes Interesse daran, dass der Fall so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Er hat mich schon jetzt zu viel Zeit gekostet.«
»Wann haben Sie Spechtenhauser zuletzt gesehen?«, fragte Laurenti.
»Wir standen fast täglich in Kontakt.«
»Gesehen, Signora«, sagte der Staatsanwalt gedehnt. Er lehnte sich im Stuhl zurück, hatte die Beine übergeschlagen und drehte seinen Kugelschreiber in den Händen.
»In der Regel kam er etwa alle zehn Tage nach Meran. Mit dem Flugzeug bis Bozen, wo ihn der Chauffeur der Sonar Communications abholte.«
»Wo waren Sie, als die Nachricht von seinem Tod eintraf?«, fragte Laurenti.
»Auf der Autobahn zwischen Verona und Trient. Ich bin nach Hause gefahren.«
»Und wo waren Sie am Tag vor Spechtenhausers Tod?«
»Dazu möchte ich mich nicht äußern.« Donna Ritas Stimme war fest, doch warf sie Galimberti einen Blick aus dem Augenwinkel zu.
»Worüber haben Sie zuletzt mit Ihrem Exehemann gesprochen?«
»Über unseren Sohn …«
»Das tut nichts zur Sache«, schritt der Anwalt ein.
»Franz musste ihm noch einen Wertausgleich aus der Vermögensaufteilung zukommen lassen, in der er die Zwillinge bevorzugt behandelt hatte. Wir verhandelten darüber schon viel zu lang. Ich vertrete Nikolaus’ Interessen, denn die beiden haben seit Jahren weder miteinander gesprochen noch sich gesehen. Ich habe auf einer Ausgleichszahlung bestanden, die Immobilien hatte Franz längst seinen Töchtern vermacht.«
»Wo war Ihr Sohn am Tag vor Spechtenhausers Tod?«, fragte Laurenti.
»In Meran. Es ging ihm schlecht.« Dass Nick sich schon seit Tagen bis über die Ohren mit Kokain und Whisky zudröhnte und auf seiner Stratocaster-Fender-Gitarre Heavy Metall spielte und sich die Stimme heiser grölte, behielt sie wohlweislich für sich.
»Von welchem Betrag reden Sie?«, fragte Lorusso.
»Das hat nichts mit dem Mord zu
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