Im eigenen Schatten
im Leben verlassen konnte, dann darauf, dass Galvano wirklich nie die Klappe hielt. Laurenti hatte sich nicht mehr um ihn gekümmert, seit dessen Hausdrache Raissa, angeblich einst Primaballerina im Bolschoi-Ballett, den Alten unter der Fuchtel hatte. Es musste vor mehr als einem Monat gewesen sein, dass er ihm in seiner Stammbar an der Piazza San Giovanni begegnet war. Mit traurigem Blick hatte Galvano berichtet, dass es dem schwarzen Hund schlecht gehe, Arthrose. Irgendwann müsse er ihm die letzte Spritze geben. Laurenti würde ihn nach der Rückkehr anrufen und sich nach dem Hund erkundigen.
»Außerdem hatte ich bereits mein erstes weißes Haar«, sagte Živa heiter und schob ihre Frisur zurecht. »Ich hab’s ausgerissen. Färben muss ich sie aber noch nicht. Deines ähnelt übrigens immer mehr dem von George Clooney, Proteo.«
»Ich kann ihn nicht mehr sehen.« Laurenti schüttelte sich angewidert. »Wenn sie für diese Kaffeereklame wenigstens ein anderes Model genommen hätten, Sabrina Ferilli, Monica Bellucci oder Madonna. Erzähl mir lieber, was du rausgefunden hast.«
Živa wurde ernst. »Ich musste mir erst Zugang zu den Unterlagen der Kollegen vom Geheimdienst verschaffen, um mehr über diesen Spechtenhauser zu erfahren. Auch das Archiv aus der Zeit vor der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens hat etwas hergegeben, viel ist von dem Material allerdings nicht übrig geblieben. In den letzten Jahren lag zu vielen Personen daran, dass ihre Akten für immer verschwanden.«
»Sprichst du von Spechtenhausers dreckigem Handel mit den abgelaufenen Medikamenten?«
»Ach, das weißt du?«
»Zehn Jahre Knast, die er nicht absitzen musste.«
»Und nach dem Zerfall Jugoslawiens hat das auch niemand mehr eingefordert. Dafür bin ich auf ein paar alte Bekannte gestoßen, die bis heute ihr schmutziges Handwerk treiben. Und mit denen er in guter geschäftlicher Verbindung stand. Sie werden dir namentlich kaum etwas sagen.«
Živa legte zwei Blätter auf den Tisch und sprach weiter. »Eine rasche Zusammenfassung. Die Balkanroute nach Westeuropa funktioniert immer noch, trotz aller Abkommen, die von den betroffenen Staaten unterzeichnet wurden. Interessant sind diese drei Personen: Hoxa, Gromiljak und Igor Agim. Der erste stammt aus dem Kosovo, residiert in Hamburg, wo er Immobilien im Wert von gut dreihundert Millionen Euro besitzt. Seine Geschäfte finanziert er, indem er seinen Schweizer Immobilienbesitz beleiht. Und wie er die Konten dort dann wieder auffüllt, ist kaum ein Rätsel, auch wenn wir bis heute keine gerichtsbeständigen Beweise dafür liefern können. Es muss erst ein Wunder geschehen, bevor die Eidgenossen erschöpfende Auskünfte erteilen, die uns weiterbringen. Gromiljak ist Bosnier mit einem deutschen Pass, der in München einen Metallgroßhandel betreibt. Er war bereits in Bayern aktiv, als ich noch dort studiert habe. Das Bundeskriminalamt hält ihn für eine Schlüsselfigur bei der Verwertung von im großen Stil gestohlener Metalle, Kupfer, Bronze et cetera. Wir hingegen sind davon überzeugt, dass er die ominöse graue Eminenz hinter allen anderen ist. Die Deutschen zögern wie immer. Entweder haben sie tatsächlich keine Ahnung davon, wie tief sie selbst mit drin hängen, oder sie wollen es nicht wissen oder aus irgendwelchen Gründen ihre Kenntnisse nicht preisgeben. Der BND hat auf dem Balkan überall die Finger drin. Der dritte Mann ist ein schwerreicher Kroate mit Wohnsitz in Zürich, fünfundsechzig Jahre alt. Sein Vater war als Ustascha einer der engsten Vertrauten von Ante Pavelić und hat sich Ende des Zweiten Weltkriegs über die Rattenlinie in den Westen abgesetzt. Er soll später der Drahtzieher von Anschlägen in Deutschland gegen Repräsentanten der Sozialistischen Jugoslawischen Föderation gewesen sein. Diese Faschisten lassen bis heute nicht locker. Wenn die alten Ustascha-Anhänger tot sind, versuchen deren Kinder und Enkel von Kanada, den USA, Deutschland, Österreich oder eben der Schweiz aus, ihre politische Einflussnahme geltend zu machen. Dass dies nicht unbedingt legal zugeht, ist logisch. Mit grenzüberschreitenden Kontakten lässt sich einiges erledigen. Übrigens ist Agim auch Inhaber einer Investment- und Consulting-Firma in Innsbruck, deren Sitz sich im gleichen Gebäude befindet, in dem auch unser Expremierminister ein solches Unternehmen geführt hat; der sitzt allerdings im Knast. Einer muss verurteilt werden, damit andere davonkommen; er ist ein leichtes
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