Im eigenen Schatten
Opfer, brauchen tut ihn keiner mehr. Dank deiner Anfrage aber interessiert es mich nun brennend, ob es noch andere Verbindungen zwischen Hoxa, Gromiljak und Agim gibt. Verbindungen, die vielleicht sogar bis in unsere politischen Spitzenpositionen reichen. Die ehemaligen wie die aktuellen.«
»Wo sind deine Bodyguards?«
»Ich habe sie an der Grenze zurückgelassen. Ich bin inkognito hier.«
Laurenti überflog das Papier, das manche Aussagen in den Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes bestätigte, die er auf dem Flur im Polizeipräsidium gefunden hatte. Vieles war unverändert geblieben: Die Drogenrouten liefen über Montenegro, Serbien und Mazedonien nach Westen. Amphetamine, Speed und Ecstasy aus Holland hingegen wurden über den Kosovo in den Nahen Osten umgeschlagen, doch Zigarettenschmuggel war noch immer das größte Geschäft des politisch instabilen Halbstaates und erfolgte von der Türkei auch über Montenegro entlang der Hauptrouten weiter in die Hochsteuerländer. Menschenhandel ungeahnten Ausmaßes lief über Bosnien, Kroatien und Slowenien nach Italien, Deutschland, Frankreich, Skandinavien oder Großbritannien. Kleinere Waffen nahmen ihren Weg in Gegenrichtung ins Kosovo. Kfz- und Alkoholschmuggelrouten kannten als Hauptverschiebeplatz Albanien. Alte Delikte, die dank der engen Zusammenarbeit der Bosse, die allen Ethnien angehörten, höchste Renditen abwarfen.
Neu war die Erkenntnis, dass die Drahtzieher sich inzwischen auch bei den Medien eingekauft hatten und über die Fernsehsender oder Zeitungen, die ihrer Einflussnahme unterlagen, regelmäßig Spannungen provozierten, damit die Sicherheitskräfte der beteiligten Länder und der UN- oder Nato-Kontingente an den Brennpunkten zusammengezogen wurden und beschäftigt waren. Die Weltmedien berichteten besorgt von der neuerlichen Gefahr gewalttätiger Eskalationen auf dem Balkan. Dass dann allerdings an bestimmten Stellen die Grenzen kaum bewacht waren und Kolonnen von Schwerlastwagen sie unkontrolliert passierten, erwähnte keine der Nachrichtensendungen. Die spitzesten Federn der Kriegsreporter hatten die wahre Front nie gesehen. Und Freelancer taten sich schwer, ihre Beiträge in den großen Redaktionen unterzubringen, deren Chefs womöglich wenig Interesse an diesen Enthüllungen hatten.
»Und was hat das mit Spechtenhauser zu tun?«, fragte Laurenti schließlich.
»Bis jetzt sind es nur Spekulationen: Die Beteiligten sind sogenannte Multifunktionäre, das heißt Bosse mit internationalen Verbindungen in Politik, Wirtschaft, Militär, wodurch sie Freiräume für ihre Clans schaffen. Andere nennen es Lobbyismus. Und du hast am Telefon berichtet, dass Spechtenhauser so eine Figur sein könnte, die auf der Basis von nationalistischer Agitation ein Vermögen gemacht hat. Igor Agim ist über seine Innsbrucker Firma Gesellschafter der Aurum d.o.o. in Vodnjan.«
Proteo Laurenti fuhr hoch. »Bist du sicher?«
»Immerhin fünfundzwanzig Prozent.« Überlegen lächelnd reichte Živa ihm ein weiteres Blatt; ein Handelsregisterauszug, auf dem sie den Firmennamen rot unterstrichen hatte. »Du hast gesagt, dass Spechtenhausers Familienholding in Bozen sitzt. Ein Katzensprung nach Innsbruck. Du kannst davon ausgehen, dass er dort zumindest über ein paar Bankkonten verfügt.«
»Wozu aber eine Goldschmiede in Kroatien?«
»Sofern es sich nicht um eine persönliche Leidenschaft handelt, kann ich mir noch einige andere Motive vorstellen. Geldwäsche. Jahrzehntelang hat sich kein Schwein mehr fürs Gold interessiert, jetzt schießt der Kurs nach oben und scheint kein Ende mehr zu finden. Die Nachrichten schüren Angst, und damit wurde schon immer viel Geld verdient. Aber ich befürchte Schlimmeres.«
»Du meinst doch nicht etwa, dass sie Gold dubioser Herkunft ins Land schmuggeln, es zu Schmuck verarbeiten und dann legal absetzen? Einfacher, als Unsummen Schwarzgeld in Umlauf zu bringen, wäre es natürlich.«
»Die Idee ist genial. Grenzen haben wie immer ihre Vor- und Nachteile. Wer fragt im Ausland schon nach der Inventur einer kroatischen Goldschmiede. Unsere Küstenlinie ist eintausendachthundert Kilometer lang, mit den Inseln sogar sechstausendzweihundert. Seegrenzen sind schwer zu kontrollieren, nicht einmal im Kriegsfall kann man sie hermetisch abriegeln.«
Ein Kellner in einer weißen Livree war herangetreten, informierte sie, dass das Restaurant nun geöffnet sei. Er führte die beiden zu einem Tisch unter einem Sonnenschirm im Hof des
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