Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
einer der Gründe, weshalb ich dich liebe. Du lässt dich von niemandem verbiegen.
Unglücklicherweise würde ebendieser Charakterzug uns womöglich entzweien.
3
Wie sich herausstellte, kannte ich einige unserer Gäste, obwohl auch eine Menge neuer Gesichter vertreten waren. Maximus saß neben Shrapnel, Vlads glatzköpfigem, kernigen zweiten Stellvertreter. Neben ihm Mencheres, der langhaarige ägyptische Vampir, den Vlad als seinen ehrenwerten Ahnherrn bezeichnete, ein Titel, den ich noch immer nicht recht einordnen konnte. Die schlanke Blondine an Mencheres’ Seite war seine Frau, Kira. Gretchen war auch anwesend, aber am anderen Ende der Tafel platziert worden; sie blickte angesäuert drein. Alle erhoben sich, als Vlad und ich eintraten, was das Szenario nur noch sonderbarer machte. Ich kam doch nicht zu spät, warum also waren alle schon da? Sollten die Gastgeber nicht die Gäste begrüßen, bevor alle sich setzten, statt als Letzte aufzutauchen und von allen anderen zu erwarten, Gewehr bei Fuß zu stehen?
Vampire, dachte ich mir zum hundertsten Mal, waren eben ein sonderbares Völkchen.
Vlad führte mich zu meinem Stammplatz am Kopf der Tafel, was mir schiefe Blicke von einigen der mir unbekannten Gäste einbrachte. Als ich an meinem Platz angekommen war, blieb ich unsicher rechts neben Vlads leerem Stuhl stehen. Sollte ich mich jetzt setzen oder auf ein Zeichen warten?
»Ich freue mich, dass ihr alle gekommen seid«, verkündete Vlad in einer Lautstärke, die selbst durch die Größe des Saales nicht gemindert wurde. »Ich weiß, dass einige von euch weite Wege auf sich genommen haben, um heute hier sein zu können.«
Ich erwartete mehr, vielleicht einen Dank an die weitgereisten Gäste, doch Vlad nahm einfach Platz. Bevor ich ihn kennengelernt hatte, war mir nicht bewusst gewesen, dass der simple Akt des sich Setzens etwas Herrschaftliches und Einschüchterndes ausstrahlen konnte, bei Vlad aber war das immer so.
Die anderen nahmen ebenfalls Platz, und ich tat es ihnen nach, wobei ich mir wünschte, ich hätte ein Lehrbuch zum Thema Untotenetikette für Dummies zur Hand. Ihren übertrieben geschmeidigen Bewegungen nach zu urteilen, waren Vlads Gäste allesamt keine Menschen. Ich war zwar daran gewöhnt, mit Untoten zu verkehren, aber das war mein erstes formelles Zusammentreffen mit ihnen . Wenn ich mich danebenbenehme, bist du schuld , schickte ich einen Gedanken zu Vlad und setzte ein höfliches Lächeln auf.
Nur am Zucken seiner Lippen erkannte man, dass er mich gehört hatte. Dann wies er mit einer Handbewegung zu seiner Linken.
»Leila. Maximus, Shrapnel, Mencheres und Kira kennst du ja schon. Dann darf ich dir jetzt die übrigen Gäste vorstellen.«
Weiter höflich lächelnd, hörte ich mir die vielen Namen an, die ich mir hoffentlich nicht alle merken sollte, denn alle achtundzwanzig Stühle der riesigen Tafel waren besetzt. Als ich den drei Etagen hohen Salon mit seinen Kaminen an der Wand und dem gewaltigen Kronleuchter an der Decke zum ersten Mal gesehen hatte, war ich der Meinung gewesen, er wäre eine gigantische Platzverschwendung, weil lediglich Vlad und ich hier dinierten. Jetzt kamen mir seine Größe und Pracht nur angemessen vor. Wären noch mehr Gäste geladen gewesen, hätten wir einen neuen Tisch gebraucht, und die Anwesenden waren offenbar an Luxus gewöhnt, wie man an den juwelenbehangenen Frauen und Männern in eleganten Smokings erkennen konnte.
Anders verhielt es sich mit mir. Nur Gretchen schien sich genauso unwohl zu fühlen wie ich. Unser Vater hatte beim Militär Karriere gemacht, und so waren wir in mittelständischen Verhältnissen großgeworden und an häufiges Umziehen gewöhnt, wenn er Auslandseinsätze hatte. Als ich mit achtzehn mein eigenes Leben begonnen hatte, war ich stets auf der Suche nach Jobs gewesen, die weder den Umgang mit Technik noch mit Menschen verlangten – und jeder anständig bezahlte Job erforderte das eine oder andere. Hätte ich Marty nicht kennengelernt, der mich in seine Varieteenummer eingebaut hatte, wäre ich wohl auf der Straße gelandet.
Ganz sicher wäre ich nie hier bei Vlad gelandet, wo ich durch ein Meer aus Kristallgläsern hindurch einen Haufen Fremder anlächelte, die von einem Heer von Bediensteten mit einer roten Flüssigkeit bewirtet wurden, deren sirupartige Konsistenz nahelegte, dass es sich nicht um Wein handelte. Dann wurde eine solche Menge Essen aufgetragen, dass die Gästeschar zweimal davon hätte satt werden
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