Im Haus meines Feindes
hingen ihren eigenen Gedanken nach. Burke überlegte, wie er sich in den ersten Sekunden nach der Urteilsverkündung verhalten sollte.
Daà es zu einer Gerichtsverhandlung kommen würde, hatten sie von Anfang an gewuÃt. Pinkie Duvall würde nicht im Traum daran denken, einen Deal mit der Anklagebehörde anzustreben, wenn er den Freispruch für seinen Mandanten schon so gut wie in der Tasche zu haben glaubte. Und Burke hatte ebenfalls gewuÃt, wie dieser Prozeà ausgehen würde. Jetzt, wo der Augenblick der Wahrheit bevorstand â falls seine schlimmen Vorahnungen sich bestätigten â, machte er sich darauf gefaÃt, gegen die Wut anzukämpfen, die er empfinden würde, wenn er sah, wie Bardo das Gerichtsgebäude als freier Mann verlieÃ.
Gott behüte ihn davor, diesen Dreckskerl mit bloÃen Händen zu erwürgen.
Eine groÃe, brummende Stubenfliege, die nicht in diese Jahreszeit
paÃte und von Insektiziden high war, hatte sich irgendwie in den kleinen Raum im Gerichtsgebäude des Orleans Parish verirrt, in dem schon unzählige Anklagevertreter und Angeklagte angstvoll geschwitzt hatten, während sie auf den Spruch der Geschworenen gewartet hatten. Bei ihren verzweifelten Fluchtversuchen prallte die Fliege immer wieder mit einem selbstmörderischen kleinen Platsch! gegen die Fensterscheibe. Das arme Fliegenvieh wuÃte nicht, daà es verloren hatte. Es erkannte nicht, daà es sich mit seinen vergeblichen Versuchen, so tapfer sie auch waren, nur zum Narren machte.
Burke unterdrückte ein selbstkritisches Auflachen. Daà er sich mit dem vergeblichen Bemühen einer Stubenfliege identifizieren konnte, bewies ihm, daà er auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt war.
Als das Klopfen ertönte, wechselten Patout und er zuerst einen Blick, bevor sie zur Tür hinübersahen, die von der Gerichtsdienerin geöffnet wurde. Sie steckte den Kopf herein. »Die Geschworenen sind wieder im Saal.«
Auf dem Weg zur Tür warf Patout einen Blick auf seine Uhr und murmelte: »Verdammt! Genau zehn Minuten.« Er sah zu Burke hinüber. »Wie hast du das erraten?«
Aber Burke hörte nicht zu. Seine Aufmerksamkeit galt der offenen zweiflügeligen Tür des Gerichtssaales am Ende des Korridors. ProzeÃbeobachter und Medienvertreter strömten durch das Portal, aufgeregt wie Kolosseumsbesucher im alten Rom bei der Aussicht darauf, daà ein paar Märtyrer von Löwen zerfleischt werden.
Kevin Stuart â Ehemann, Familienvater, verdammt guter Cop und bester Freund â war einen Märtyrertod gestorben. Wie bei vielen Märtyrern im Lauf der Geschichte war sein Tod die Folge eines Verrats. Jemand, dem Kevin vertraut hatte, jemand, der auf seiner Seite hätte stehen und ihn unterstüzten sollen, war zum Verräter geworden. Ein anderer Cop hatte die Bösen gewarnt, daà die Guten unterwegs waren.
Ein heimlicher Anruf von irgend jemandem aus ihrem Dezernat, und Kevin Stuarts Schicksal war besiegelt. GewiÃ, er war im Dienst umgekommen, aber das machte ihn nicht weniger tot. Sein Tod war unnötig gewesen. Unnötig und blutig. Mit diesem Verfahren wurde lediglich ein SchluÃstrich gezogen. Der Prozeà war nur eine teure und zeitraubende Ãbung, der eine zivilisierte Gesellschaft sich unterzog, um die Tatsache zu kaschieren, daà sie einen Dreckskerl laufenlieÃ, nachdem er dem Leben eines anständigen Menschen ein Ende gesetzt hatte.
Die Auswahl der Geschworenen hatte zwei Wochen gedauert. Der Staatsanwalt war von Anfang an vom Strafverteidiger, dem glanzvollen Pinkie Duvall, eingeschüchtert und ausgetrickst worden. Ohne auf energische Gegenwehr seitens der Anklagebehörde zu stoÃen, hatte Duvall sämtliche Einspruchsmöglichkeiten genutzt, um die Geschworenenbank mit handverlesenen Leuten zu besetzen, die seinen Mandanten vermutlich begünstigen würden.
Der Prozeà selbst hatte nur vier Tage gedauert. Aber seine Kürze stand in umgekehrtem Verhältnis zu dem Interesse der Ãffentlichkeit an seinem Ausgang. Voraussagen hatte es reichlich gegeben.
Am Morgen nach dem tödlichen Vorfall wurde der Polizeipräsident mit den Worten zitiert: »Jeder unserer Beamten fühlt diesen Verlust und ist persönlich betroffen. Kevin Stuart war im Kollegenkreis sehr beliebt und geachtet. Wir setzen alle uns zur Vergügung stehenden Mittel ein, um die genauen Umstände
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