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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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nichts davon.«
    »Er wußte es nicht. Damals hatte Ould-Harrad die Leitung, und Carl war noch im Kühlfach. Ould-Harrad mußte es einfach ignoriert haben. Vermutlich befand er sich bereits in der Anfangsphase mystischer Weitabgewandtheit.«
    »Aber die Kontrollstation ist mit Hilfe immer sparsam gewesen…«
    Saul lachte wieder. »Wer sagt, daß es von der Bodenkontrolle gekommen ist? Ich wette, daß eine Erklärung dabei ist, und die müßte sich finden lassen.«
    »Eine Erklärung?«
    Aber Saul war schon an der Arbeit. Er gab seine Kommandos so rasch und sicher, daß Virginia einen seltsamen Widerspruch fühlte, einen Anflug von Eifersucht, daß jemand anders mit ihrer Domäne so vertraut sein konnte, verbunden mit Stolz, einem automatischen Sortierprozeß, der das Datenmaterial aus den bunt zusammengewürfelten Reimen und zu Papier gebrachten Gedanken trennte, über den Bildschirm.
    »Hier! Da ist es!« verkündete Saul. »Eine Mitteilung in Videoform.«
    Es gab ein vielfarbiges verschwommenes Durcheinander, dann erstand ein neues Bild vor ihnen. Sie wußte gleich, daß es keine Johnvon-Simulation war. Dies war eine echte, aufgezeichnete Sendung.
    Eine Frau mit kurzgeschnittenem Haar und einem dünnen Schutzanzug saß an einer Konsole. Ihr Gesicht zeigte die Gedunsenheit, welche eine Folge langer, in Schwerelosigkeit verbrachter Zeit war. Sie war auffallend zurechtgemacht, mit gefärbten Haarsträhnen, die von den Schläfen in die Stirn gekämmt waren, eine Haartracht, die zur Zeit der Absendung der Botschaft Mode gewesen sein mußte. Hinter der Frau war eine breite Bild- oder Fensterwand, die eine rötliche, öde Wüstenlandschaft zeigte, aus großer Höhe gesehen. Helle, unscharfe Wolken eines Sandsturms zogen über weite Ödländer. Irgendwie hatte Virginia den Eindruck, daß es nicht eine Bildwand war, sondern eine wirkliche Ansicht.
    »Halley-Kolonie«, sagte die Frau in einem Akzent, den Virginia nicht zu deuten wußte, aber die Anspannung in ihrer Stimme veränderte ihn wahrscheinlich. »Halley, hier spricht Relaisstation Phobos über Richtstrahl. Wir haben Ihre Sendungen empfangen und wissen von Ihren Schwierigkeiten und verlorenen Hoffnungen, die auch die unsrigen sind. Wir schämen uns der harten Behandlung, die Sie erhalten haben.
    Einigen von uns ist dieses Verbrechen unerträglich geworden. Wir nehmen mit der Aussendung dieser Erklärung unseres guten Willens ein Risiko in Kauf, weil wir nicht an der Herzlosigkeit einer Generation mitschuldig werden wollen, die zu selbstgerecht und bequemlichkeitsliebend ist, frühere Versprechen einzuhalten.«
    Die Frau hielt inne. Ihre Unruhe war sichtbar in den weiß hervortretenden Knöcheln ihrer Hand, die das Mikrophon umklammerte.
    »Wenn Sie uns wohlwollen, antworten Sie nicht! Erwähnen Sie diese Sendung nicht in Ihren Gesprächen mit der Bodenkontrolle. Diese Worte sollen Ihnen zeigen, daß es auf Erden und im Raum einige wenige gibt, die ihre Verwandten nicht vergessen haben, deren Segenswünsche jene begleiten, die auf dem Strom der Verzweiflung durch Kälte und Dunkelheit reisen.
    Möge der Allmächtige Sie zu Ihrem Ziel geleiten, Bewohner des Kometen. Wanderer im Weltenraum.«
    Das Bild erlosch. Es folgte ein Strom von Texten, technischen Darstellungen, Patenten, Inhaltsverzeichnissen und Musik. Saul überflog aufgeregt die Verzeichnisse, aber Virginia konnte minutenlang nur zwinkern und die Tränen abwischen. Die Stimme der Frau hallte noch in ihrem Bewußtsein nach.
    »Johnvon hatte recht«, flüsterte sie, obwohl Saul im Augenblick zu beschäftigt war, auf sie zu achten, und immer wieder begeistert den einen oder den anderen Titel ausrief, der sich aus dem gebrochenen Informationsstau des Computers ergoß.
    »Johnvon hatte recht. Dies gehörte unter Dichtung. Es gab keinen anderen Platz dafür.«

 
FÜNFTES BUCH

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Mit dem Strich einer Feder:
2094
     
     
Du lebst nur zweimal:
Einmal, wenn du geboren bist,
Und einmal, wenn du dem Tod
ins Gesicht siehst.
    MATSUO BASHO, 1643-1694
Japanischer Dichter

 
1

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SAUL
     
     
    Existenz. Leben. Bewußtsein.
    Die Begriffe wurden oft als Synonyme gebraucht, doch er wußte, daß sie tatsächlich sehr verschiedene Dinge bezeichneten: drei Stufen der Schöpfung.
    Die Existenz begann vermutlich vor annähernd zwanzig Milliarden Jahren, in heißen Strömen von Quarks und Leptonen, als die Zeit selbst wie mit einer Augenbinde herumwirbelte und auf etwas zeigte, was sie damit die Zukunft nannte. Das Universum

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