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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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der Vernunft heranreifen.
    “Man ist genötigt, mit der Menschenumwelt zu spielen, und mit der Natur; und wenn auch die ungezähmte Natur mit Technologien aus der Gesellschaft verbannt wird, wird dieser künstliche Ersatz allmählich zum Schadensstifter, und selbst dann läßt sich die Natur nicht total verbannen, weil sie weiterhin in unseren Körpern steckt…” (Lem 1987,
    S. 30)
    … , muß auch Lem schließlich bedauernd zugeben.
    Der Glaube an Allmacht der Vernunft macht aus dem Menschen einen Anwärter auf die Göttlichkeit. Auf der einen Seite macht sich Lem diese Position zu eigen, wenn er die Hoffnung auf die Entwicklungsfähigkeit des Menschen setzt. Die andere Seite aber, daß die Existenz des Menschen kein Zufall ist, daß der Glaube an den Zufall überhaupt ein Sakrileg ist, kann Lem nicht akzeptieren. Durch die Anlehnung an die Vernunftsidee der Aufklärer ließe sich auf der anderen Seite die konservative und zögerliche moralische Position Lems erklären. In den Naturwissenschaften hat sich etwas von dem Glauben an die Göttlichkeit des Menschen erhalten. Lem orientiert sich also lieber an ihnen und in die Zukunft, als auf die Gewinner und Verlierer der Geschichte zurückzublicken. Dieser “unvollkommenen” Menschen nimmt sich Amery an. Amery ist ein Mahner, der seine Werte a priori definiert; seine Religiosität ist kritisch hinterfragt, aber doch präsent und unumstößlicher Bestandteil seiner
    Ansichten. Ebenso fixiert sind Amerys Positionen ge-gegenüber Kultur, Technik und Natur. In diesem Rahmen exemplifiziert er seine Ansichten in den Romanen, zeigt Gefahren auf und mahnt mit “cautionary tales” vor der Apokalypse. Lem dagegen ist auf der Suche nach neuen Werten, die die alten ergänzen, doch ist er sich auch seiner Ohnmacht bewußt mit der er zu kämpfen hat. Daher schwankt auch die Einschätzung der eigenen Person bisweilen zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex, wie die folgenden beiden Zitate aus “Dialoge” (1957) belegen: “Im besten Falle war ich schließlich ein Johannes der Täufer, ein Künder der Richtung, die einzuschlagen ist, um zur “Wahrheit einer künftigen Zeit zu gelangen…” (Lem 1980, im Nachwort von 1979, S. 318), aber auch: “Es ist möglich, daß das Tragen der Narrenkappe mit den Buchstaben SF’, die ich mir selbst aufgesetzt hatte … mir eines Tages unerträglich wurde.” (Lem 1980 S. 309/310).
    Lems ambivalentes Verhältnis zu Technologie verursacht Unklarheiten in der Deutung seiner Werke: auf der einen Seite ist sein Faible für technische Möglichkeiten unverholen (schon als Kind hatte er eine Schwäche für mechanisches Spielzeug), auf der anderen Seite ist er nicht geneigt, über die Gefahren hinwegzusehen: “He pulls up short of unqualified enthusiasm because, ever the trenchant observer of human behavoir, he perceives that there is a dark side to scientific advances” (Ziegfeld 1985, S. 97/98). In diesem Zusammenhang definiert er die Kultur als Mechanismus, der negative Werte (wie die Nebenwirkungen der Chemokratie im “Kongreß”) in positive umbenennt und die Menschen damit über Mißstände hinwegtröstet. Bei aller Kritik sieht sich Lem selbst, im Unterschied zu Amery, als unpolitischen Menschen, den philosophische und erkenntnistheoretische Probleme viel mehr reizen (vgl.: Rottensteiner in: Berthel 1976, S. 179). Deutlich werden bei Lem die Gegenpositionen gekennzeichnet, nicht aber, für welche politische Anschauung er selbst eintreten würde. “I don’t want that political irony to be the sole subjekt of what we call the model that is given by a novel.” (Interview in: SFS März 1983, S. 4) Der politische Aspekt ist also nur einer unter vielen, aus denen sich seine Modelle zusammensetzen.
    Lem fühlt sich in einer Zeit zum Philosophen geboren, in der sich durch die Philosophie keine neuen Systeme mehr erstellen lassen (Vgl.: Marzin 1985, S. 54.; vgl. auch: Nachwort zu “ Dialoge ” 1980). So brechen seine Weltentwürfe oft mitten im Ansatz ab; zurück bleibt nur, was vorher schon da war, vielleicht aber ergänzt durch eine neue Facette.
    Im “ Kongreß ” wacht Tichy aus einem Traum auf, nachdem er den Schlüsselbetrug der Zukunft aufgedeckt hat. Lem bietet keine Lösung für das Problem der Überbevölkerung an, im Gegensatz zu Amery, der einen erstaunlichen Mut beweist; seine Theorien des “planet management” schrecken auch vor der Notwendigkeit einer Reduktion der Bevölkerungszahl nicht zurück.
    Amery

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