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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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erstaunlich, daß ein der ökologischen Bewegung nahestehender Schriftsteller sich selbst als Konservativer bezeichnet. Amery selbst unterscheidet seine besondere Art des Konservativen von einem “Neo-Konservativismus”, der den unrealistischen und bornierten Charakter der Unveränderlichkeit trägt (und dem aus diesem Grund der Übergang zum Faschismus leicht fällt):
    “Der Konservativismus dieser Art hatte aus seinen romantischen Anfängen eine Hypothek übernommen, die wesentlich zu seiner Sterilität und seinem späteren Verfall beitragen sollte; die Fixierung auf das Mittelalter, seine normative Verwendung gegen die Moderne.” (Amery 1991, S. 32)
    Zum anderen grenzt sich Amery damit auch gegen eine linke Gesellschaftspolitik ab, die sich in einer “fröhlichen Besserwisserei” (Amery 1991, S. 32) mancher fortschrittlichen Linken wiederfinden läßt (das ökologisch-politische Programm ist verzahnt mit einer Kritik an der Sozialdemokratie):
    1. Methodisch bleibt Amery bei seiner oben genannten normativen Verweigerungshaltung gegenüber der Moderne (in diesem Punkt unterscheidet er sich auch am deutlichsten von Lem); zu diesem Zweck muß er sich historisch orientieren. Die Koalition des Geldes, der Technik und der Profitwirtschaft übernimmt - so Amery - nach dem Krieg die Geschicke der Nation
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    ohne dabei ein erkennbares theoretisches Fundament zu entwickeln (abgesehen von der Opposition zum Kommunismus). Amery formuliert die Frage nach den tatsächlichen Bedürfnissen neu und liest die offizielle Anti-Philosophie gegen den Strich.
    2. Ideologisch-religiös beharrt er auf “einer gewaltigen metaphysischen Last” (Amery 1991, S. 32), der Erbsünde, die sich im unvermeidlichen Zustand der Unzulänglichkeit der Menschheit ausdrückt. Anders als Lem verzweifelt er nicht über die “Makel” in der Schöpfung, er kann den biologischen “status quo” durchaus akzeptieren und wendet sich ausschließlich den ethischen Problemen zu. Im Gegenzug weist Amery auf die allgemeine Entlastungsfunktion von Ideologien hin: ein ökologischer Zivilisationsentwurf ohne religiöse Ordnung ist daher seiner Ansicht nach nicht sehr wahrscheinlich. Durch diese “Rückkoppelung” kann die “metaphysische Last” die Unzulänglichkeit des Menschen gleichzeitig wieder kompensieren.
    Lem, sowohl den ethisch-philosophischen, als auch den biologischen “Problemen” zugewandt, präsentiert sich dem Leser durch seine Werke als enttäuschter Weltverbesserer. Seine ersten Romane sind naive Utopien, weil er eine so friedliche Welt erwarten wollte, wie er sie beschrieben hatte. Nach der zweiten Periode der “Flucht in den Weltraum” kehrt er mit seinen Werken auf die Erde zurück. Michael Kandel unterscheidet - parallel existierend - eine pessimistische und eine optimistische Position Lems: der Optimismus gründet sich auf die Hoffnung der kybernetischen Evolututionsfähigkeit, der Pessimismus auf die Skepsis dem gegenüber, was Amery unter dem Begriff “Natur” in das Zentrum seiner Gedanken stellt. “Dieses kybernetisch garantierte Menschsein existiert in einem Weltall, das von Grund auf mangelhaft ist.” (Kandel in: Berthel 1981, S. 69).
    Während Amery vom gerechten Urteil der Erdmutter GAIA 5 überzeugt ist, hält Lem dieser Hypothese zwei (anthropozentrische) Vorwürfe entgegen: das menschliche Bewußtsein ist sowohl terminiert, als auch in seiner Kapazität begrenzt. Aus diesem Grunde persifliert er immer wieder die Schöpfungsgeschichte. Lem mahnt gegen drei mögliche Arten der Tyrannei, die die Menschen in ihrer Freiheit begrenzt: die Tyrannei der Physik, die Tyrannei der Biologie und zuletzt auch die politische Tyrannei - aus der er aber keine besonderen Konsequenzen zieht. Wie Pascal oder Swift beklagt Lem die menschliche Sterblichkeit und Animalität. Seine Liebe dagegen gilt der Mathematik, dem absoluten Spiel: mit ihrer Hilfe besiegen Trurl und Klapauzius den politisch und physisch viel stärkeren König Grausam (6. Fabel). Lems Hoffnungen stammen aus dem 18. Jahrhundert, als man auf die reine Vernunft hoffte; diesen Ansatz verteidigt er voll gläubiger Überzeugung und muß dabei feststellen: Glück und Intellekt stehen sich oft als Antagonisten gegenüber (wie Trurl in “Experimenta Felicitologica” erfahren muß). Auf diese Weise erklärt sich auch Lems Feindseligkeit gegenüber der Sexualität: könnte sich der Mensch seiner biologischen Abstammung entledigen, würde er vielleicht zu einer höheren Ebene

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