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Im Innern des Wals

Im Innern des Wals

Titel: Im Innern des Wals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orwell George
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Eindruck machte, waren nicht so sehr die Grausamkeiten oder die Fehden zwischen den verschiedenen politischen Gruppen hinter den Linien, sondern daß die Mentalität des Ersten Weltkrieges in den linken Kreisen sofort wieder da war. Dieselben Leute, die sich zwanzig Jahre lang gebrüstet hatten, immun gegen jede Form der Kriegshysterie zu sein, waren die ersten, die sich Hals über Kopf zurück in den geistigen Sumpf von 1914 stürzten. Alle die altbekannten Idiotien der Kriegszeit: Spionenjagd, Gesinnungsschnüffelei (Wie riechst du? Bist du auch ein guter Anti-Faschist?), die Greuelmärchen, alles kam wieder mit der Gewalt einer Sturzflut, als ob die dazwischenliegenden Jahre nie gewesen wären. Noch vor Ende des Spanischen Krieges und sogar noch vor München fingen die besten unter den linken Schriftstellern an, sich zu drehen und winden. Weder Auden noch Spender nahmen Stellung zum Spanischen Krieg in der Weise, die man von ihnen erwartet hätte. Seitdem hat es einen Wandel in der Einstellung und viel Bestürzung und Verwirrung gegeben, weil der tatsächliche Verlauf der Ereignisse die linken Glaubenssätze der letzten Jahre in Unsinn verwandelt hatte. Es bedurfte keines großen Scharfsinns mehr, um zu erkennen, daß viel davon von Anfang an Unsinn gewesen war. Es besteht daher nicht die geringste Sicherheit, daß die nächsten Glaubenssätze besser sein werden als die letzten.
    Alles in allem scheint der historische Überblick über die Literatur der dreißiger Jahre die These zu bestätigen, daß ein Schriftsteller gut daran tut, sich aus der Politik herauszuhalten. Jeder, der sich ganz oder teilweise einer Parteidisziplin unterwirft, wird sich früher oder später vor die Alternative gestellt sehen: Linientreue oder Mundhalten. Natürlich ist es denkbar, linientreu zu sein und trotzdem weiterzuschreiben – irgendwie. Jeder Marxist kann mit größter Leichtigkeit nachweisen, daß die Meinungsfreiheit der »Bourgeoisie« eine Illusion ist. Wenn er mit seinem Nachweis fertig ist, bleibt immer noch die psychologische Tatsache , daß ohne die »bourgeoise«-Freiheit die schöpferischen Fähigkeiten absterben. Es mag sein, daß es einmal in Zukunft eine totalitäre Literatur geben wird, aber sie wird völlig verschieden sein von dem, was wir uns heute vorstellen können. Literatur, wie wir sie kennen, ist eine individuelle Angelegenheit, die intellektuelle Redlichkeit und ein Minimum an Zensur erfordert. Das gilt noch mehr für Prosa als für Verse. Es dürfte kein Zufall sein, daß die besten Schriftsteller der dreißiger Jahre Dichter waren. Die Atmosphäre einer Ideologie ist für die Prosa immer verderblich und für den Roman, die anarchistische literarische Form, geradezu der Ruin. Wie viele gute Katholiken haben gute Romane geschrieben? Selbst die Handvoll, die man nennen könnte, waren gewöhnlich schlechte Katholiken. Der Roman ist tatsächlich eine protestantische Kunstform. Er entsteht nur in geistiger Freiheit, als Schöpfung eines selbständigen Individuums. Keine Dekade der letzten hundertfünfzig Jahre hat so wenig erzählende Kunst hervorgebracht wie die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts. Dagegen hat es gute Gedichte, gute soziologische Werke, brillante Essays gegeben, aber praktisch keine Erzählliteratur von irgendwelchem Wert. Von 1933 an war ihr das geistige Klima zunehmend feindlich. Keiner, der sensibel genug war, um den Zeitgeist zu spüren, konnte der Politik aus dem Weg gehen. Natürlich waren nicht alle in das politische Getriebe verwickelt, aber praktisch jeder hatte am Rande etwas damit zu tun und nahm an Propagandafeldzügen und fragwürdigen Auseinandersetzungen teil. Kommunisten und ihre Sympathisanten übten einen unverhältnismäßig großen Einfluß auf literarische Zeitschriften aus. Es war eine Zeit der Etikettierungen und Schlagworte. In den kritischen Augenblicken erwartete man von einem Schriftsteller, daß er sich selber in einen engen, kleinen, stickigen Käfig von Lügen einschloß. Im besten Fall legte sich fast jeder eine Art freiwilliger Selbstkontrolle auf (»Kann ich das überhaupt schreiben? Ist es nicht profaschistisch?«). Daß in einer solchen Atmosphäre keine guten Romane entstehen konnten, ist selbstverständlich. Gute Romane stammen nicht aus der Feder von Gesinnungsschnüfflern oder Leuten, die fortwährend in der Angst leben, nicht linientreu zu sein. Gute Romane werden von Leuten geschrieben, die keine Angst haben. Und damit bin ich wieder bei Henry

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