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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Kante an der Stoßstange, an der sich der Kronkorken öffnen ließ.

Vorsichtig, um nicht zu stolpern, suchte Chantal sich einen Weg durch die Trümmer.
Sie wollte ganz sichergehen, dass sie nicht zu sehen war. Ihr lag nichts daran, sich beim Urinieren beobachten zu lassen. Zumindest nicht, wenn sie nicht dafür bezahlt wurde. Hinter der nächsten Mauer würde sie absolut ungestört sein.
Doch als sie um die Ecke trat, musste sie feststellen, dass dort schon jemand war.
Fünf zerlumpte Gestalten kauerten um den Kadaver eines verendeten Hundes und rissen mit bloßen Händen Fleischfetzen von den Knochen. Als sie den Eindringling bemerkten, blickten sie auf. Das fahlweiße Mondlicht fiel auf ihre hohlwangigen, schmutzbedeckten Gesichter, die zum Teil mit blutverkrusteten dreckigen Fetzen umwickelt und mit eitrigen Wunden übersät waren. Nackter Hass blitzte in den Augen auf, die dunkel überschattet tief in den Höhlen lagen.
Einer von ihnen öffnete den Mund. Aus dem zahnlos klaffenden schwarzen Loch drang ein einziges Wort: »Amerikaner!« Es klang wie ein Todesurteil.
Die fünf sprangen auf und ergriffen ihre Waffen, rostige Eisenstangen und Knüppel. Chantal wich zurück, um zu fliehen. Doch ihr Fuß knickte um. Sie stürzte, fiel rückwärts zu Boden. Hilflos sah sie die fünf Männer auf sich zukommen, hörte die düster grollenden Laute aus ihren Kehlen.
»Nein, nein, nicht!«, stammelte Chantal, von Panik erfasst. »Ich bin keine Amerikanerin!
Keine Amerikanerin!«
Sie versuchte davonzukriechen, aber sie kam nicht vom Fleck. Die lumpenumwickelten Hände reckten sich ihr entgegen wie Krallen, bereit zum Reißen der Beute.
» Zurück! «
Der gebieterische Ruf ließ die fünf jäh innehalten. Sie fuhren herum und sahen Tubber, der zwischen den Ruinen hervorgekommen war und sie nun drohend fixierte.
»Zurück!«, forderte er nochmals scharf.
Die fünf wandten sich von Chantal ab und näherten sich dem Fremden im amerikanischen Militärmantel. Einer von ihnen stieß ein modrig röchelndes Lachen aus und stürzte sich dann, die Eisenstange zum tödlichen Schlag erhoben, auf Tubber.
Der aber wich dem Hieb, der seinen Schädel zerschmettern sollte, rasch aus, sodass die Stange an ihm vorbei ins Leere zischte. Blitzschnell wirbelte Tubber herum und schlug dem durch den Schwung vornüber stolpernden Angreifer die Handkante ins Genick. Der Hals knackte, die Lumpengestalt fiel mit dem Gesicht auf den Boden und blieb regungslos liegen.
Aufgebracht attackierten nun die übrigen vier zugleich Tubber. Einen von ihnen konnte er auf der Stelle außer Gefecht setzen, indem er demjenigen erst einen Tritt in die Magengrube versetzte, der diesen zusammenklappen ließ, und dann mit einem sofort nachfolgenden zweiten Tritt dessen Kiefer zerschmetterte.
Der Angreifer stürzte und wälzte sich wimmernd auf der Erde. Doch der zweite Tritt war schwungvoller gewesen, als Tubber beabsichtigt hatte und vertragen konnte. Ein Stich fuhr in seine Wirbelsäule und ließ ihn zusammenfahren; nicht einmal für eine Sekunde, doch lange genug, um seinen Gegnern einen Vorteil zu verschaffen. Ein Faustschlag traf ihn am Kinn und ließ ihn rücklings gegen eine Mauer taumeln. Einer der verbliebenen Angreifer holte aus, um ihm eine spitze Eisenstange in den Brustkorb zu rammen. Im allerletzten Moment duckte Tubber sich reflexartig, und die Stange bohrte sich krachend in die Ziegelwand.
Aber er hatte sich kaum gerettet, da traf ihn ein Knüppel am Oberarm. Er ging zu Boden, konnte dabei jedoch die Beine seines Feindes packen und diesen mit sich nach unten reißen. Tubber gelang es, den Kopf des völlig Überrumpelten zu greifen und hämmerte den heftig auf die Steintrümmer.
Es knirschte hässlich. Aus dem zahnlosen Mund drang ein letztes Ächzen. Alles war so schnell gegangen, dass die letzten beiden Gegner keine Gelegenheit zum Einschreiten gehabt hatten. Doch jetzt stürzten sie sich auf den am Boden liegenden Tubber, um ihn endgültig zu töten.
Mit einem raschen Griff packte der Engländer die Eisenstange des Toten und riss sie in die Höhe. Sie drang von schräg unten tief in den Unterleib eines der Angreifer. Der Getroffene wankte zurück, während dessen zerschlissene Hose sich rasend schnell mit Blut vollsog und dunkel verfärbte.
Als der zusammenbrach, die Hände hilflos um die aus dem Körper ragende Stange gekrampft, erstarrte der letzte Angreifer vor Schrecken. Dann ergriff dieser die Flucht und entwich zwischen den Ruinen in die

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