Im Jahre Ragnarök
hart auf die Bremse. Die schlagartig blockierten Räder rutschten noch einige Meter über die aufgeweichte Piste, ehe der Wagen zum Stehen kam.
»Köpfe zwischen die Knie!«, schrie Tubber und brachte seinen Kopf zwischen den Beinen in Sicherheit; alle taten es ihm unverzüglich nach.
Im nächsten Moment ging ein Hagel von Steinbrocken nieder und prasselte unter ohrenbetäubendem Lärm auf das Blech. Zugleich ließ die Schockwelle der Detonation die Erde kurz beben und brachte den Lastwagen zum Wanken.
Der gefährliche Trümmerregen dauerte nur Sekunden, dann war alles vorbei.
Als wieder Stille herrschte, sahen alle wieder auf und stellten fest, dass nichts geschehen war. Es hatte sich nur eine dicke Schicht von grobem grauem Staub über das Glas gelegt.
Greta atmete heilfroh auf. »Wir haben überlebt.«
»Vorerst«, erwiderte Tubber zurückhaltend. Ihm war klar, dass es sich nur um einen Aufschub handelte.
»Wir leben, ja«, meinte Chantal, die sich die Stirn hielt. Sie hatte sich den Kopf gestoßen, war aber unverletzt. »Nur was machen wir jetzt?«
Tubber überlegte angestrengt. Er musste sich etwas einfallen lassen. Einfach nach Dresden zu fahren und die Amerikaner von allem in Kenntnis zu setzen, war undenkbar. Man hätte ihn einfach eingesperrt und nicht auf ihn gehört.
Doch er wusste jemanden, auf den sie hören würden.
Rüde stieß Dünnbrot den amerikanischen Agenten von der Ladefläche. Tubber zog ihm sogleich den Knebel aus dem Mund und nahm ihm die Fesseln ab.
»Sie können zum ersten Mal in Ihrem armseligen Leben etwas Nützliches tun.
Also passen Sie gut auf, was ich Ihnen sage«, verlangte Tubber.
Smith rieb sich die wundgescheuerten Handgelenke und sah den Engländer feindselig an. »Erst will ich wissen, was zur Hölle hier vorgeht!« Das Sprechen bereitete ihm Mühe, nachdem er stundenlang einen Knebel zwischen den Zähnen gehabt hatte. »Was war das für eine Explosion? Und wieso habe ich vorhin eine Naziflagge gesehen? Was wird hier gespielt, Lieutenant?«
Dünnbrot kletterte vom Wagen, nachdem er das Fahrrad abgeladen hatte. Er schob sich die Uniformmütze aus der Stirn und stellte sich mit warnend vor der Brust verschränkten Armen neben Tubber, der die Forderungen des Amerikaners nach Erklärungen so barsch zurückwies, wie es ihm möglich war:
»Halten Sie freundlicherweise den Mund und hören Sie zu. Es existiert eine extrem gefährliche Naziverschwörung. Ich kann Ihnen die Hintergründe jetzt nicht erläutern. Sie würden mir nicht glauben, auch sonst niemand, und uns fehlt ohnehin die Zeit. Nur so viel: Sie werden das Fahrrad da nehmen und nach Pirna fahren, wo am Ortsrand ein Jeep steht. Machen Sie, dass Sie auf schnellstem Wege nach Dresden kommen, alarmieren Sie die Armee und sorgen Sie dafür, dass bis morgen Mittag mindestens tausend Mann die Eckertalsprerre im Harz besetzen. Haben Sie das verstanden? Die Eckertalsperre, bis 12 Uhr!«
Smith hustete und spuckte einen Brocken Schleim auf den lehmigen Boden.
» Bullshit! Sie wollen mich loswerden, damit Sie abhauen können, das ist alles.«
»Wenn ich Sie loswerden wollte«, bemerkte Dünnbrot kalt, »würde ich Ihnen einfach auf der Stelle ihren widerwärtigen Schädel einschlagen.«
Tubber richtete den Zeigefinger auf Smith und wiederholte eindringlich: »Sie fahren nach Dresden! Wir benötigen Ihre Hilfe, es ist wichtig. Viel wichtiger, als Sie sich überhaupt vorstellen können. Fahren Sie, in Gottes Namen!«
Die Augen des Amerikaners verengten sich zu schmalen Schlitzen, aus denen er sein Gegenüber lauernd fixierte. »Nennen Sie mir einen einzigen guten Grund, weshalb ich das tun sollte.«
Dünnbrot gab Tubber keine Gelegenheit, darauf zu antworten. Er packte den Amerikaner am Mantelkragen, rammte ihm kräftig das Knie in den Schritt und stieß ihn dann von sich. Smith krümmte sich und rang nach Luft.
Mit unverhüllter Befriedigung sah Dünnbrot, wie Smith litt, und sagte dabei ruhig: »Dafür wollen Sie sich doch sicher an mir rächen, stimmt's? Schön, Sie erwischen mich nur, wenn Sie morgen Mittag zur Eckertalsperre kommen. Reicht das als Grund?«
»Ich kriege euch alle«, keuchte Smith hasserfüllt. »Und ich mache euch fertig, ihr abgewichsten motherfuckers ! Ich mache euch fertig!«
Er nahm das Fahrrad, stieg mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und trat in die Pedale. Das rot glimmende Rücklicht wurde kleiner und verschwand schließlich ganz im Dunkel zwischen den Bäumen.
»Ihre Methode, Überzeugungsarbeit zu leisten,
Weitere Kostenlose Bücher