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Im Krebsgang

Im Krebsgang

Titel: Im Krebsgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Rosi als »Conny«
angeschrieben.
    Bei Diewerge steht, der Landesgruppenleiter sei am
3. Februar, müde von der erfolgreichen Reise durch die Kantone,
zurückgekehrt. Frankfurter wußte, daß er am dritten in
Davos eintreffen würde. Außer den Tageszeitungen las er
regelmäßig das von Gustloff herausgegebene Parteiblatt
»Der Reichsdeutsche«, in dem die Termine vorgemerkt
standen. David war beinahe alles über sein Zielobjekt bekannt. Er
hatte sich inhalierend vollgesogen mit ihm. Aber wußte er auch,
daß sich im Jahr zuvor das Ehepaar Gustloff vom Ersparten ein
Klinkerhaus in Schwerin hatte bauen lassen, vorsorglich möbliert
für die geplante Rückkehr ins Reich? Und daß sich beide
innig einen Sohn wünschten?
    Als der Medizinstudent in Davos eintraf, war
Neuschnee gefallen. Auf den Schnee schien die Sonne, und der Kurort sah
wie auf Postkarten aus. Er war ohne Gepäck, doch mit fester
Absicht gereist. Aus der »Basler Nationalzeitung« hatte er
eine fotografische Abbildung Gustloffs in Uniform herausgerissen: ein
hochgewachsener Mann, der angestrengt entschlossen guckte und dem
Haarausfall zu einer hohen Stirn verhalf.
    Frankfurter quartierte sich im
»Löwen« ein. Er mußte bis zum Dienstag, dem 4.
Februar, warten. Dieser Wochentag heißt bei den Juden »Ki
Tow« und gilt als Glückstag; eine Information, die ich mir
aus dem Internet gefischt habe. Auf nun vertrauter Homepage wurde unter
diesem Datum des Blutzeugen gedacht.
    Bei Sonnenschein rauchend auf harschem Schnee.
Jeder Schritt knirschte. Am Montag fand die Stadtbesichtigung statt.
Wiederholt die Kurpromenade auf und ab. Als Zuschauer zwischen
Zuschauern unauffällig bei einem Eishockeyspiel. Zwanglose
Gespräche mit Kurgästen. Weiß stand der Atem vorm Mund.
Keinen Verdacht erregen. Kein Wort zuviel.
    Keine Eile. Alles war vorbereitet. Mit einem
umstandslos gekauften Revolver hatte er in der Nähe von Bern auf
dem Schießplatz Ostermundingen geübt, was erlaubt war.
Sosehr er kränkelte, seine Hand hatte sich als ruhig erwiesen.
    Am Dienstag wurde ihm, nun vor Ort, ein wetterfest
beschrifteter Wegweiser - »Wilhelm Gustloff NSDAP« -
behilflich: von der Kurpromenade zweigte die Straße »Am
Kurpark« ab und führte zum Haus Nummer drei. Ein Waschblau
verputztes Gebäude mit Flachdach, an dessen Regenrinne Eiszapfen
hingen. Wenige Straßenlaternen standen gegen die abendliche
Dunkelheit. Kein Schneefall.
    Soweit die Außenansicht. Weitere Einzelheiten
blieben ohne Bedeutung. Über den Ablauf der Tat konnten
später nur der Täter und die Witwe aussagen. Mir ist das
Innere des betreffenden Teils der Wohnung auf einem Foto einsehbar
geworden, das auf besagter Homepage den eingerückten Text
illustrieren sollte. Das Foto wurde offenbar nach der Tat gemacht, denn
drei frische Blumensträuße auf Tischen und einer Kommode,
zudem ein blühender Blumentopf geben dem Raum das Aussehen eines
Gedenkzimmers.
    Nach dem Klingeln öffnete Hedwig Gustloff. Ein
junger Mann, über den sie später ausgesagt hat, er habe gute
Augen gehabt, bat um ein Gespräch mit dem Landesgruppenleiter. Der
stand im Korridor und telefonierte mit dem Parteigenossen Dr. Habermann
vom Stützpunkt Thun. Im Vorbeigehen will Frankfurter das Wort
»Schweinejuden« aufgeschnappt haben, was Frau Gustloff
später bestritten hat: Diese Wortwahl sei ihrem Gatten fremd
gewesen, wenngleich er die Lösung der Judenfrage als
unaufschiebbar angesehen habe.
    Sie führte den Besucher in das Arbeitszimmer
ihres Mannes und bat ihn, Platz zu nehmen. Kein Verdacht. Oft kamen
unangemeldet Bittsteller, unter ihnen Gesinnungsgenossen, die in Not
geraten waren.
    Vom Sessel aus sah der Medizinstudent, der im
Mantel mit dem Hut auf den Knien saß, den Schreibtisch, darauf
die Uhr im leichtgeschwungenen Holzgehäuse, darüber den
Ehrendolch der SA hängen. Oberhalb und seitlich des Dolches waren
in lockerer Anordnung mehrere Abbildungen des Führers und
Reichskanzlers schwarzweißer und farbiger Zimmerschmuck. Kein
Bild des vor zwei Jahren ermordeten Mentors Gregor Strasser war
auszumachen. Seitlich das Modell eines Segelschiffes, wahrscheinlich
der Gorch Fock.
    Ferner hätte der wartende Besucher, der sich
das Rauchen versagte, auf einer neben dem Schreibtisch stehenden
Kommode den Radioapparat sehen können, daneben des Führers
Büste, entweder als Bronzeguß oder in Gips, dessen Bemalung
Bronze vortäuschen sollte. Die fotografierten Schnittblumen auf
dem Schreibtisch können schon vor der Tatzeit eine

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