Im Land der glühenden Sonne: Die Australien-Saga (German Edition)
zitterte, nicht wegen der Kühle des Abends, sondern weil sie wieder diesen quälenden Schmerz spürte, den ihre empfindlichen Nerven nicht zu ertragen schienen. Sie rang nach Atem und versuchte, ihr unregelmäßig pochendes Herz zu beruhigen, als wieder andere Bilder durch ihren Kopf schossen … die Weltausstellung in Sydney, der erste durch einen gemeinsamen Freund vermittelte Kontakt mit dem attraktiven und wohlhabenden Schafzüchter Phillip, dessen hartnäckige, wenn auch etwas schwerfällige Bemühungen um sie und dann die Hoffnung, aus ihrer Trauer und Unsicherheit in einen sicheren Hafen flüchten zu können.
Es war beinahe dunkel, als Enid die Hunde schließlich zu sich rief. Das merkwürdige Klopfen ihres Herzens verursachte ihr leichten Schwindel. Phillip hatte Recht, sagte sie sich, sie durfte die Reise nach Sydney zu einem Herzspezialisten nicht mehr allzu lange aufschieben.
Sie drehte sich um und ging ins Haus, die Hunde klebten wie zwei weiße Schatten an ihren Fersen, und ihre kleinen Pfoten trippelten über den gebohnerten Holzboden. Als sie an der Bibliothek vorbeikam, blieb sie einen Moment stehen und spähte hinein. Phillip saß wie üblich in seinem Ledersessel und blätterte, die Brille auf der Nasenspitze, in einem Katalog.
Obwohl Phillip seine Frau aus dem Augenwinkel heraus sah, gab er nicht zu erkennen, dass er sie bemerkt hatte. Er lauschte ihren Schritten im Korridor, bis sie in der Küche verstummten. Gott, es wurde immer schwieriger mit ihr! Seit der Arzt im Ort ein Herzgeräusch festgestellt und sich sehr besorgt geäußert hatte, war sie immer zerbrechlicher geworden.
Phillip ging zum Schrank, schenkte sich einen Portwein aus der Kristallkaraffe ein und kehrte zu seinem Sessel zurück. Er nahm einen Schluck, legte dann den Kopf zurück und starrte an die dunkle, hohe Holzdecke. Nach Ansicht des Arztes hatte die Störung etwas mit der Anstrengung zu tun, die Barneys Geburt für ihr Herz bedeutet hatte. Schon die Schwangerschaft war kompliziert verlaufen, und die Geburt war sehr schwer gewesen – es sei ein wahres Wunder, hatte der Arzt gesagt, dass Mutter und Kind sie überhaupt überlebt hatten.
Mittlerweile war das Kind zu einem jungen Mann herangewachsen, die Mutter hatte sich jedoch nie mehr ganz erholt. Und in gewisser Weise konnte man dasselbe von Phillip sagen. Er konnte die Wut einfach nicht bezwingen, die er beim Anblick Barneys empfand, dessen Geburt ihm die Frau, die er liebte, geraubt hatte. Stattdessen war eine Fremde zurückgeblieben, die sich mit Leib und Seele der Pflege eines Kindes widmete, das sie beinahe getötet hätte. Er hatte gehofft, alles würde anders werden, sobald Barney erst einmal ins Internat kam, aber Enid hatte sich nur noch tiefer in ihre eigene kleine Welt zurückgezogen.
Phillip wünschte sich ein besseres Verhältnis zu Barney, aber die Wut, die er ihm gegenüber verspürte, stand einer Annäherung immer im Wege. Er hatte das Gefühl, der Sohn habe ihm die Frau genommen.
Phillip Holten leerte sein Glas Portwein und trat dann durch die Terrassentüren auf die Veranda hinaus. Er lehnte sich an das Geländer, sah zum hellen Mond inmitten der unzähligen Sterne hinauf und suchte nach der Antwort auf eine Frage, die er dem Himmel schon so oft gestellt hatte: »Wie kann eine Familie sich nur so auseinander leben? Gibt es eine Chance, wieder zueinander zu finden?« Aber eine Antwort bekam er darauf nie.
Fünftes Kapitel
G wen zog den Eintopf von der Herdplatte und stellte ihn zur Seite. Die Zwillinge hatten den langen Küchentisch gedeckt, und alle Teller bis auf die von Bob und Abby standen an ihrem Platz. Als Tischdecke diente ein festes gelbblau kariertes Wachstuch, das problemlos zu reinigen war. In der Mitte des Tisches stand eine große Flasche Tomatenketchup, eine Flasche Worcestersoße sowie zwei Salz- und Pfefferstreuer, die aussahen wie winzige Leuchttürme – »Andenken an die Südküste« stand darauf –, ein Stück Butter auf einem Teller, ein Stapel dick geschnittener Weißbrotscheiben und ein Glas selbst gemachter Maulbeermarmelade.
»Hol doch die Zwillinge rein, Kevin, damit sie schon mal baden, während ich Brian fertig mache«, sagte Gwen, die ihre Tochter bereits zu vermissen begann, weil sie den kleinen Brian sonst immer badete und bettfertig machte.
Sie eilte durch das Haus ins Badezimmer und hoffte, dass ihr Mann und Abby bei der Grillparty ihren Spaß hatten. Vielleicht war ja auch ein netter Junge dabei, mit dem
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