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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Das waren genau die wilden Abenteuergeschichten, die der elfjährige Robie in diesem Land hatte erleben wollen, doch bis vor kurzem war das Leben hier enttäuschend zahm verlaufen. Aber jetzt nicht mehr, dachte er begeistert.
            Er sah seinen jüngeren Bruder an, der den Gottesdienst überhaupt nicht verfolgte, sondern mit einem blauen Stein an einem Felsblock in der Nähe kratzte.
            »Woher hast du den?«, zischelte er.
            »Vom Regal in der Küche. Er gehört mir. Mama hat gesagt, ich darf ihn haben.«
            »Zeig mal.«
            Widerwillig rückte Hans den Stein heraus.
            Robie untersuchte ihn. »Der ist schwer wie Blei«, flüsterte er. Der Stein war kantig, hatte beinahe die Form eines Fisches und war gut zehn Zentimeter lang, ein unnützes Ding. Vielleicht konnte man ihn als Briefbeschwerer verwenden. Robie hatte einmal einen Briefbeschwerer aus Glas gesehen, in dem es schneite, was ihn schwer beeindruckt hatte. Der hier aber war hässlich. Überhaupt nicht schön, nicht einmal in der Farbe, einem trüben, milchigen Blau.
            Auch er begann jetzt, mit dem Stein an dem Felsblock zu kratzen, entschlossen, seinen Namen einzuritzen, während Pastor Beitz endlos weiterredete und der Kiefernsarg neben dem offenen Grab stand. Hans stieß seinen Bruder an und forderte den Stein zurück, doch er machte weiter, und dann blätterte erstaunlicherweise die blaue Farbe ab. Unter der dicken Farbschicht war der Stein goldfarben. Robie zupfte drängend am Ärmel seiner Mutter, doch sie schüttelte ihn immer wieder ab und drohte schließlich sogar mit einer Ohrfeige.
            Robie hielt es nicht länger aus. Behutsam schlüpfte er hinter den Felsblock und rannte davon. Niemand bemerkte es, außer Hans und seiner Mutter, und beide kochten vor Zorn. Hans zog in Erwägung, ihm nachzulaufen, doch mittlerweile hatte Eva ihn am Kragen und zwang ihn zur Andacht.
            Die Predigt hatte den Sieg des Guten über das Böse zum Thema, doch über den Mann, den er beerdigte, hatte der alte Pastor wenig zu sagen. In dieser scheußlichen Situation wollte ihm nichts Passendes einfallen, wenngleich seiner Meinung nach jeder Mensch Anspruch auf ein ordentliches Begräbnis hatte. So redete er einfach über die gesenkten Häupter der Versammelten hinweg, bis er den Gottesdienst mit einem Segen beendete.
            Er war immer noch ziemlich schwach, und Walther und Jakob brachten ihn im Wagen zurück ins Hotel. Auf dem Weg begegneten sie Robie Zimmermann, der zurück zu seiner Mutter rannte.
            »Ich habe gesehen, wie der kleine Lümmel sich davongeschlichen hat. Darüber muss ich wohl mal ein Wörtchen mit seiner Mutter reden«, sagte Pastor Beitz zu Jakob. »Ein weiterer Beweis für die Erziehung, die diese Kinder in der Heidenschule erhalten. Wer ist dieser komische Bursche, der ihm hinterherrennt?«
            »Ich glaube, das ist der Juwelier«, sagte Jakob und sah sich nach dem kleinen Mann im Frack um, der, einen Zylinder in der Hand, versuchte, mit Robie Schritt zu halten. »Was mag da los sein?«
            Der Wagen nahm eine Kurve, und sie sahen nicht mehr, wie Robie sich seiner Mutter in die Arme warf.
            »Sieh nur! Gold, Mama, Gold! Der Stein, das ist Gold! Es ist eine Menge Geld wert.«
            »Warte, bis wir nach Hause kommen. Mich so zu blamieren … Was sagst du da?«
            »Gold! Das hier ist Gold!«, schrie er und reichte ihr den Stein.
            »Das Ding da? Nie im Leben.«
            Der Mann mit dem Zylinder kam keuchend näher, und die Trauergäste scharten sich um die kleine Gruppe, um zu erfahren, was der Anlass für den Aufruhr war.
            »Es ist tatsächlich Gold, Madam. Sehr gutes sogar …«
            »Aber sehen Sie doch. Blau?«
            »Ah. Das ist ein alter Trick unter den Goldgräbern, um Diebstähle zu vermeiden, und im Fall Ihres Mannes war er sogar erfolgreich. Ein sehr kluger Mann, möchte ich sagen, der Wandfarbe und Lack zur Tarnung benutzt.«
            Eva zog die Augenbrauen hoch. Es war das erste Mal, dass jemand Theo als klug bezeichnet hatte.
            »Es ist wirklich Gold?«, stammelte sie.
            »Mein Wort.«
            »Oh Gott, und ich hätte das Ding beinahe weggeworfen!« Eva wurde leichenblass und sank in Ohnmacht, doch Lukas fing sie auf, bevor sie sich verletzen

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