Im Land der weissen Rose
Mädchen bei ihren
unzüchtigen Handlungen Befriedigung empfanden, konnte es sich
aber nicht vorstellen.Ihre Gesichter blieben zu entspannt und
gelassen. Lucas vermochte weder Ekstase noch Lust darin zu erkennen.
Doch unzweifelhaft war Liebe in den Blicken, mit denen die Schwestern
einander streiften, und in ihren Berührungen lag
Zärtlichkeit.Auf den Betrachter wirkte ihr Liebesspiel
verwirrend – mit der Zeit schienen die Grenzen zwischen ihren
Körpern zu verschwimmen, die Mädchen sahen einander so
ähnlich, dass ihr Zusammensein irgendwann die Illusion erzeugte,
hier eine tanzende Göttin mit vier Armen und zwei Köpfen
vor sich zu haben – Lucas erinnerte sich an entsprechende
Abbildungen aus der Kronkolonie Indien. Er empfand den Anblick als
eigenartig reizvoll, auch wenn er sich eher wünschte, die
Mädchen zeichnen als lieben zu dürfen. Ihr Tanz hatte fast
etwas Künstlerisches. Schließlich verharrten die beiden in
enger Umarmung auf dem Bett und lösten sich erst, als Lucas
ihnen applaudierte.
Laurie warf einen prüfenden Blick auf den Schritt seiner
Hose, als sie aus der Versenkung erwachte.
»Hat es Ihnen nicht gefallen?«, fragte sie ängstlich,
als sie bemerkte, dass Lucas’ Beinkleid geschlossen war und
sein Gesicht keinen Nachhall von Selbstbefriedigung zeigte. »Wir
... wir könnten Sie auch noch streicheln, aber ...«
Der Ausdruck des Mädchens bewies, dass sie davon nicht
begeistert wäre, aber offensichtlich gab es Männer, die ihr
Geld zurückforderten, wenn sie nicht zum Höhepunkt kamen.
»Aber gewöhnlich macht das Daphne«, fügte
Mary hinzu.
Lucas schüttelte den Kopf. »Das wird nicht nötig
sein, danke. Euer Tanz hat mir sehr gut gefallen. Wie Daphne gesagt
hat – etwas ganz Besonderes.Aber wie seid ihr darauf verfallen?
So etwas erwartet man schließlich nicht in solchen
Etablissements.«
Die Mädchen atmeten auf und hüllten sich wieder in ihren
Mantel, blieben aber auf der Bettkante sitzen.Anscheinend
betrachteten sie Lucas nun nicht mehr als bedrohlich.
»Oh, es war eine Idee von Daphne!«,gab Laurie
freimütig Auskunft. Die beiden Mädchen hatten süße,
etwas zwitschernde Stimmen – auch dies ein Zeichen, dass sie
kaum dem Kindesalter entwachsen waren.
»Wir mussten doch Geld verdienen«, sprach Mary weiter.
»Aber wir wollten nicht ... wir konnten nicht ... es ist doch
gottlos, für Geld einem Mann beizuliegen.«
Lucas fragte sich, ob sie auch das von Daphne gelernt hatten. Sie
selbst schien dieser Ãœberzeugung doch eigentlich nicht
anzuhängen.
»Auch wenn es natürlich manchmal nötig ist!«,
nahm Laurie ihre Kolleginnen in Schutz. »Aber Daphne sagt, dazu
muss man erwachsen sein. Nur – Miss Jolanda fand das nicht, und
da ...«
»Da hat Daphne etwas in einem von ihren Büchern
gefunden. Ein seltsames Buch voller... Schweinereien.Aber Miss
Jolanda sagt, wo das Buch herkommt, ist es nicht gottlos, wenn man
...«
»Und waswir machen, ist sowieso nicht gottlos!«,
erklärte Mary im Brustton der Überzeugung.
»Ihr seid anständige Mädchen«, pflichtete
Lucas ihnen bei. Er hatte plötzlich den Wunsch, mehr über
sie zu erfahren. »Wo kommt ihr her? Daphne ist nicht eure
Schwester, oder?«
Laurie wollte gerade antworten, als die Tür sich öffnete
und Daphne eintrat. Sie wirkte deutlich erleichtert, als sie die
Mädchen angekleidet und im entspannten Gespräch mit ihrem
seltsamen Freier antraf.
»Warst du zufrieden?«, fragte sie, ebenfalls mit dem
wohl unvermeidlichen Blick auf Lucas’ Hosenschlitz.
Lucas nickte. »Deine Schützlinge haben mich bestens
unterhalten«, erklärte er. »Und eben wollten sie mir
erzählen, wo ihr herkommt. Ihr seid doch irgendwo ausgebüxt,
nicht wahr? Oder wissen eure Eltern, was ihr treibt?«
Daphne zuckte die Schultern. »Kommt darauf an, was man
glaubt. Wenn meine Mom und die von denen da im Himmel auf ’ner
Wolke sitzen und Harfe spielen, sollen sie uns wohl sehen können.Aber
wenn sie da gelandet sind, wo unsereins gewöhnlich endet, sehen
sie nur die Radieschen von unten.«
»Eure Eltern sind also tot«, meinte Lucas, ohne auf
ihren Zynismus einzugehen. »Das tut mir Leid.Aber wie hat es
euch ausgerechnet hierher verschlagen?«
Daphne baute sich selbstsicher vor ihm auf. »Nun hör
mal zu,
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