Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der weissen Rose

Im Land der weissen Rose

Titel: Im Land der weissen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Bau.
    Â»Ich möchte gern Zimmermann werden und Häuser
bauen«, gestand er Lucas schließlich.
    Der lächelte. »Um Häuser zu bauen müsstest du
Architekt werden, Dave.Aber das ist nicht einfach.«
    Dave nickte. »Ich weiß. Es kostet auch Geld. Man muss
lange zur Schule gehen.Aber ich bin nicht dumm, ich kann sogar
lesen.«
    Lucas beschloss, ihm das nächste Exemplar des Romans David
Copperfield zu schenken, das ihm in die Hände fiel. Er fühlte
sich unerklärlich glücklich, als die beiden sich
schließlich Gute Nacht sagten und in ihren Kojen
zusammenrollten. Lucas hörte auf die Schlafgeräusche des
Jungen, sein gleichmäßiges Atmen, und dachte an seine
trotz der Schlaksigkeit geschmeidigen Bewegungen, die lebhafte, helle
Stimme. Einen Knaben wie diesen hätte er lieben können ...
    David hielt Wort und stellte Lucas gleich am nächsten Tag dem
Stallbesitzer vor, der ihm gern einen Schlafplatz einräumte und
nicht einmal Geld dafür wollte.
    Â»Hilf Dave ein bisschen im Stall, der Junge arbeitet ohnehin
zu viel. Kennst dich mit Pferden aus?«
    Lucas erklärte wahrheitsgemäß, die Tiere putzen,
satteln und reiten zu können, was dem Stallbesitzer anscheinend
genügte. David verbrachte den Sonntag damit, die Ställe
ausgiebig zu reinigen – in der Woche kam er nicht immer dazu –,
und Lucas half ihm bereitwillig. Dabei plauderte der Junge die ganze
Zeit, berichtete von seinen Abenteuern, seinen Wünschen und
Träumen, und Lucas war ein williger Zuhörer. Dabei schwang
er die Mistgabel mit ungeahntem Elan. Noch nie hatte eine Arbeit ihm
so viel Spaß gemacht!
    Am Montag nahm Dave ihn mit zur Arbeit auf dem Bau, und der
Meister teilte ihn gleich einer Holzfällerkolonne zu. Für
die Neubauten musste Urwald gerodet werden, und die Edelhölzer,
die dabei anfielen, wurden entweder gleich in Westport abgelagert und
später verbaut, oder in andere Gegenden der Insel, ja sogar nach
England verkauft. Der Holzpreis war hoch und stieg weiter; außerdem
verkehrten jetzt Dampfer zwischen England und Neuseeland, die den
Export auch sperriger Güter vereinfachten.
    Die Zimmerleute von Westport dachten jedoch nicht weiter als bis
zum nächsten Hausbau. Praktisch keiner von ihnen hatte sein
Handwerk gelernt, geschweige denn, je etwas von Architektur gehört.
Sie bauten schlichte Blockhäuser, für die sie ebenso
schlichte Möbel zimmerten. Lucas bedauerte diese Verschwendung
der edlen Hölzer, zumal die Arbeit im Dschungel hart und
gefährlich war; immer wieder kam es zu Verletzungen durch Sägen
oder umstürzende Bäume. Doch Lucas beklagte sich nicht.
Seit er David kannte, schien er um einiges unbeschwerter und leichter
durchs Leben zu gehen und befand sich in ständiger Hochstimmung.
Dabei schien auch der Junge seine Gesellschaft zu suchen. Er
unterhielt sich stundenlang mit Lucas und fand natürlich bald
heraus, dass der Ältere um vieles mehr wusste und auf deutlich
mehr Fragen Antwort geben konnte als alle anderen Männer um ihn
herum. Oft kostete es Lucas Mühe, bei all dem nicht zu viel über
seine Herkunft zu verraten. Inzwischen unterschied er sich zumindest
äußerlich kaum noch von den anderen Coastern. Seine
Kleidung war abgetragen, zum Wechseln hatte er praktisch nichts. Es
war ein Kraftakt, sich trotzdem sauber zu halten. Zu seiner Freude
hielt auch David viel auf Körperhygiene und reinigte sich
regelmäßig im Fluss. Dabei schien der Junge keine Kälte
zu kennen. Während Lucas schon schlotterte, wenn er sich dem
eiskalten Wasser nur näherte, schwamm David lachend ans andere
Ufer.
    Â»Das ist doch nicht kalt!«, neckte er Lucas. »Du
solltest mal die Flüsse in meiner Heimat sehen! Da bin ich mit
unserem Pferd durchgeschwommen, wenn noch Eisschollen darauf
trieben!«
    Wenn derJunge dann nackt und nassans Ufer watete und sich dort
unbefangen reckte und streckte, meinte Lucas, seine geliebten
griechischen Knabenstatuen lebendig vor sich zu sehen. Für ihn
war dies nicht Dickens’ David, es war der David von
Michelangelo. Der Junge hatte von dem italienischen Maler und
Bildhauer bislang allerdings ebenso wenig gehört wie von dem
englischen Schriftsteller. Immerhin konnte Lucas hier helfen. Mit
raschen Strichen warf er eine Zeichnung der berühmtesten
Skulpturen auf ein Blatt.
    Dave konnte sich vor Staunen kaum halten, wobei ihn

Weitere Kostenlose Bücher