Im Land des Roten Ahorns
ergeben, das sie ihm in ihrer Geburtsstadt mitteilen wollte. Später.
»Ich hoffe ja, dass der Verleger dein Manuskript annimmt.«
»Wenn nicht, suche ich mir eben einen anderen. Du kannst mir vielleicht helfen, meinen Bericht ins Englische zu übertragen.«
»Wenn du mir zuvor Deutsch beibringst ...«
Jaqueline nahm seine Hand. »Lass uns gehen!«
Connor nickte. Auf der Überfahrt hatte sie ihm die Geschichte von der Brosche erzählt. Nun strebten sie der kleinen Straße zu, in der sich die Pfandleihe befand, bei der Jaqueline die Brosche ihrer Mutter versetzt hatte.
Die Pfandmarke hatte Jaqueline nicht mehr, aber sie konnte sich noch sehr gut an die Nummer des Fachs erinnern, in dem der Pfandleiher die Brosche verstaut hatte. Und vielleicht würde sich der Mann auch an sie erinnern.
»Wollen nur hoffen, dass es diesen Laden noch gibt«, murmelte Connor. »Immerhin war der Besitzer alt, er könnte inzwischen gestorben sein.«
»Das glaube ich nicht.« Jaqueline deutete nach vorn. »Das da ist er schon.«
Offenbar hatte sich wirklich nichts geändert. Noch immer wirkte das Schaufenster unscheinbar zwischen den anderen Häusern. Auch die Dekoration hatte sich nicht verändert.
Aber auch Jaqueline hatte plötzlich Zweifel. Ob er die Brosche noch hat?, fragte sie sich bang, während sie Connor mit sich zur Ladentür zog.
Mit dem Gebimmel der Türglocke traten sie ein.
Keine Menschenseele war zu sehen. Dafür türmten sich all die Dinge, die den in Not geratenen Menschen verzichtbar zu sein schienen, um sich wenigstens kurzfristig aus der Misere zu helfen.
Connor, der noch nie eine Pfandleihe betreten hatte, blickte sich fasziniert um. »Unglaublich, welche Besitztümer manche Menschen im Laufe eines Lebens anhäufen.«
»Nun, im Laufe eines Lebens erbt vermutlich so mancher ein paar Dinge von seinen Vorfahren, von denen er sich eines Tages mehr oder weniger freiwillig trennt.«
Das Knarren einer Diele riss sie aus ihrem Gespräch.
»Guten Tag, meine Herrschaften, was kann ich für Sie tun?« Der Pfandleiher stand hinter ihnen, wie aus dem Erdboden gewachsen.
Jaqueline legte den Kopf schräg und hoffte, einen Anflug von Wiedererkennen im Gesicht des Mannes zu finden, doch seine Miene blieb ebenso reglos wie damals.
»Ich bin hier, um den Inhalt des Fachs 27 auszulösen.«
Jetzt leuchteten die Augen des Mannes auf. »Ach ja, die Brosche, ich erinnere mich!«, rief er aus. »Sie haben sich aber herausgemacht!«
Jaqueline blickte zu Connor, der still vor sich hin feixte. Er verstand nur wenige Brocken Deutsch, die Jaqueline ihm beigebracht hatte, aber dennoch schien er erraten zu haben, was der Mann meinte.
»Dann haben Sie die Brosche noch?«
»Selbstverständlich. Ich habe Ihnen die Summe für ein Jahr geliehen, und das Jahr ist noch nicht rum. Halten Sie mich etwa für einen Betrüger, der die Dinge, die ihm anvertraut werden, vor Ablauf der Frist verkauft?«
Damit wandte er sich um und ging zu dem Apothekerschrank, wo er das Fach Nummer 27 aufzog.
Als sie das Kästchen in der Hand hielt, stiegen Jaqueline Tränen in die Augen. Erneut sah sie die Bilder des Tages vor sich, an dem sie die Brosche hier abgegeben hatte.
»Aber, aber, wer wird denn weinen?«, fragte der Pfandleiher, während sie die Schatulle öffnete. »Schauen Sie, es ist noch alles da!«
Durch den Tränenschleier erblickte Jaqueline das Funkeln der Edelsteine. Es beruhigte sie ein wenig, und sie hatte nun wieder die Worte aus dem Brief ihres Vaters vor sich:
Wenn es eine Möglichkeit gibt, werde ich Dir vom Himmel aus beistehen und Dir helfen, Dein Glück zu finden, hatte er ihr geschrieben.
Das hast du getan, dachte sie liebevoll. Und ich danke dir dafür, Vater.
Nachdem Connor den fälligen Betrag gezahlt, der alte Mann ihnen eine Quittung ausgehändigt und zum Abschied ein freundliches Lebewohl gesagt hatte, nahm Jaqueline Connor zärtlich bei der Hand und trat mit ihm auf die Straße.
Dort steckte er ihr vorsichtig die Brosche ans Revers ihrer Jacke.
Jaqueline lächelte Connor vielsagend an. »Da gibt es noch etwas, was ich dir sagen muss.«
»Hast du etwa noch ein Schmuckstück versetzt?« Connor lachte.
»Nein, es ist etwas viel Besseres.« Sie machte eine kurze Pause, in der sie ihm tief in die Augen blickte. »Wir bekommen ein Kind, Connor.«
»Wir ... Was ...?« Connor wirkte vollkommen überrascht.
»Du hast richtig gehört. Ich habe es auf der Überfahrt gemerkt. Es ist dir doch nicht entgangen, dass mir
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