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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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auf.
    »Nuatafib ist nicht von unserem Stamm«, sagte Ochos. »Seinem eigenen Stamm hat er den Rücken gekehrt. Was hoffst du zu finden bei dem Ausgestoßenen? Nuatafib lebt bei den Geistern.«
    »Ein Geist …« Gontas wunderte sich, weil seine Stimme sich so schwer anfühlte. »Ich fürchte, ein Geist hat sich in meinem Herzen niedergelassen. Ein Dämon des Krieges. Es ist geschehen, als die Stämme miteinander kämpften.«
    »Du warst ein Held«, sagte Ochos. »Du hast deine Familie gerächt, deine Sippe stark gemacht und uns Wohlstand gebracht. Der Geist des Krieges hat dir Kraft verliehen.«
    »Als Halime zu unseren Zelten kam«, sagte Gontas, »und wir in Streit gerieten, da kochte das Blut in meinen Adern. Ich hätte jemanden von meinem eigenen Volk erschlagen können, und der Gedanke daran ließ mich gleichgültig.« Er sah Ochos an. »Nicht nur gleichgültig. Der Gedanke erregte mich! Der Dämon des Krieges ist immer noch in meinem Inneren, und er dürstet nach Blut.«
    Ochos starrte in die Flammen. Er mied Gontas’ Blick. Endlich murmelte er: »Du musst den Krieg hinter dir lassen, Gontas. Nimm dir ein Weib, zeuge Kinder. Du bist fast schon über das Alter hinaus. Dann wirst du ruhiger werden und den Dämon in deinem Inneren bezähmen.«
    Gontas lachte. »Ich bin zu dir gekommen, um dir einzugestehen, dass du recht hattest, alter Mann. Nun beleidige mich nicht, indem du Dummheiten plapperst. Du weißt, dass es so einfach nicht ist. Die Frauen der Cefron …«
    Gontas schwirrte mit einem Mal der Kopf. Er legte sich auf den Rücken und sah den Monden zu, die sich im Kreis drehten. »Ah, die Frauen, die Frauen im Krieg. Die Jagd und die Schreie, wenn wir erhitzt zwischen den Zelten der Cyriaten ankamen, bespritzt mit dem Blut ihrer Krieger. Die Huren von Apis, so anders als die braven Mädchen unseres Volkes. Ihr Duft … Ochos, ich habe die Frauen und die Lust im Krieg kennengelernt, und was ich hier zwischen den Zelten sehe, das langweilt mich nur.«
    Ochos hustete. »Sich ein Weib zu nehmen …« Er räusperte sich. »Es geht nicht nur um Lust und Vergnügen, Gontas. Was auch immer du im Krieg abseits unserer Zelte getrieben hast …«
    Gontas fiel ihm ins Wort, den Blick immer noch zu den Monden gerichtet. »Es ist schlimmer als das. Ich sehe mir die braven Mädchen unseres Stammes an, und ich denke an … Dinge. Dinge, die ich tun könnte, und dann fühle ich Lust. Aber du hast recht, Ochos: Wir sind nicht im Krieg. Dort konnte ich mir ein Weib nehmen, für eine Stunde oder für eine Nacht, und dann war ich fort. Wenn ich mir hier eine Frau nehme, wird sie am nächsten Tag immer noch da sein. Und ihre Brüder, ihr Vater und dessen Brüder leben mit mir im Lager, und wir begegnen uns jeden Tag. Ich sehe mir die hübschen Mädchen im Lager an und mir graut vor meinen Gedanken, Ochos. Ich kann mir hier kein Weib in mein Zelt holen!«
    Ochos gab einen halbherzigen Laut von sich, oder vielleicht schnappte er auch nur nach Luft. »Was … willst du also tun?«
    »Die Städte im Westen liegen ständig im Krieg«, sagte Gontas. »Die Städte im Westen brauchen immer Krieger.«
    Er setzte sich wieder auf. Ochos war vor dem Lagerfeuer zusammengesunken wie ein leeres Bündel.
    »Aber erst einmal«, fuhr Gontas fort, »suche ich Nuatafib auf, der die Geister kennt, und frage ihn um Rat. Ich möchte dich bitten, Halime in die Obhut deiner Familie zu nehmen, bis ich zurückkehre.
    Doch ich gehe nicht nur um des Mädchens willen. Es ging nie allein um Halime, sondern immer um die Herausforderung, nach der ich suche.«
    Die flachen Strahlen der Abendsonne fielen auf niedrige Tafelberge und überzogen das Gestein mit einem blassroten Schimmer. Die Berge waren nicht hoch, aber zerklüftet. Wie kreuz und quer gestapelte Steinplatten türmten sie sich auf und waren voll von verwitterten Kanten. Überall zwischen den Graten gab es Hochebenen und Spalten, und an manchen Stellen klafften wahrhaftig Höhlen zwischen den Felsscheiben.
    In einer von diesen Höhlen lebte Nuatafib, der Einsiedler und Wahrsager, doch Gontas wusste nicht, wo sie lag.
    Tagelang war er bis zu diesen Bergen gewandert, durch das Dickicht von Kriechgras und Klammerstrauch, von Schlingwurzel und Wanderranke, das diesen Teil des Buschlandes überzog. Es gab Pfade durch das abweisende Gestrüpp, und Gontas kannte sie alle. An den steinigen Hängen der Tafelberge endete der Bewuchs allmählich, und Gontas folgte dem Saum der Vegetation und suchte im letzten

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