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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Kaffee auf der Terrasse. Von weitem beobachtete ich, wie Manuel uns zuwinkte. Erwartete er etwa einen weiteren Abschied? Das war die Art von Szenen, die ich hasste. Ich hob den Arm als Antwort und wandte den Kopf ab. Ich wollte nur noch schleunigst weg.
    Bei unserer Umarmung konnte Oma ihren Gefühlen kaum Einhalt gebieten. Ihr war ebenfalls bewusst, dass dies keine kurze Trennung war, sondern ein Schritt in ein neues Leben. Während sie mich drückte, als wollte sie mich nie wieder loslassen, trug Yannick schon mal unsere Koffer ins Auto.
    Als ich aus dem Haus ging, stand Manuel mit einem Hengst vor der Tür. Er war vom Pferd gestiegen und unterhielt sich gerade mit Yannick. Bei meinem Anblick hielt er mitten im Satz inne und musterte mich, als würde er mich zum ersten Mal sehen. Es musste am Leokleid liegen, er hatte es noch nicht an mir gesehen. Auf einmal fiel sein Blick auf meinen Schenkel, worauf er sich zu Yannick drehte und fragte: „Du erlaubst doch, oder?“
    Ich fasste es nicht. Er fragte nicht MICH um Erlaubnis, sondern meinen Freund, und dem war keine bessere Antwort eingefallen als: „Gucken ja, anfassen nein.“
    Ich glaubte, mich verhört zu haben. Durch den Spruch ermuntert wollte Manuel das ohnehin kurze Kleid heben, um die Narbe besser betrachten zu können.
    „ Geht’s noch!“, schrie ich ihn an und schlug ihm dabei auf die Finger. „Wofür haltet ihr euch? Wem gehört wohl dieser Schenkel, Yannick oder mir?“
    Kochend vor Wut stieg ich in den Wagen, während diese Deppen sich köstlich auf meine Kosten amüsierten.
    „ Das Kleid steht dir super, vor allem wenn du sauer bist“, zog mich Manuel auf. „Eine richtige Raubkatze.“
    „ Pass bloß auf, dass ich meine Krallen nicht ausfahre“, antwortete ich schroff. „Du hast übrigens den gleichen Geschmack wie Yannick und Damien.“
    „ Danke! Ohne dich wäre ich nicht darauf gekommen.“
    „ Kommst du Yannick – oder bleibst du hier?“
    Ein kleines „Autsch“ folgte meinem eisigen Ton. Es hinderte die Jungs trotzdem nicht daran, sich lachend und tuschelnd zu umarmen, als wären sie die besten Freunde der Welt, was mich in diesem Augenblick rasend machte.
    „ Rockmusik?“
    Mit einer CD von Lynyrd Skynyrd wedelte er vor meiner Nase. Ich zuckte bloß mit den Schultern und brauste los, ohne Manuel noch eines Blickes zu würdigen. Ich konnte spüren, wie Yannicks Blicke auf mir ruhten. Schlimmer als das, ich nahm den Vorwurf darin wahr, versuchte mich jedoch auf die Straße zu konzentrieren. Nach einem langen erdrückenden Schweigen ertönte
I’ve been your Fool
.
    „ Extra für mich?“, fragte ich immer noch gereizt.
    „ Entschuldige, ich verstehe nicht.“
    „ Der Idiot in dem Lied, … bist du das?“
    „ Wenn Rockmusik dich aggressiv macht, kann ich eine andere CD einlegen.“
    „ Nein, lass nur! Was war das für eine Umarmung? Ist Manuel jetzt dein bester Kumpel?“
    „ Würdest du dich bitte beruhigen.“
    „ Ihr findet das lustig, ja? Wir könnten doch an der Straße halten, wer will unter das Kleid gucken?“
    „ Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“
    „ Was machst du?! Ich habe gesagt, du sollst die Musik lassen.“
    „ Ich gehe nur vor, zu
Freebird
.“
    „ Noch ein Lied für mich. Worum geht es da?“
    „ Hör auf, hinter jedem Titel eine Botschaft zu suchen, du bist nicht der Nabel der Welt. Es muss sich nicht immer alles um dich drehen. Es ist einfach eine der schönsten Balladen, die ich kenne. Das ist alles. Ich dachte, langsamere Musik würde dich besänftigen. Bekommst du deine Tage oder was?“
    „ Kann gut sein. Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
    „ Nein, und ich werde es auch nicht tun, solange du dich so aufführst. Du erzählst so einen Mist. Halte bitte an, ich muss mal.“
    „ Schlimmer als ein kleines Kind.“
    „ Wer ist so überstürzt losgefahren? Ich konnte mich nicht einmal von deiner Großmutter verabschieden.“
    Ich bog in letzter Sekunde mit quietschenden Reifen auf einen Rastplatz und machte eine Vollbremsung.
    „ Wenn du weiterhin so fährst, werden die Bremsbeläge nicht alt.“
    Er stieg aus, lief um den Wagen, machte die Tür auf, und packte meine Hand.
    „ Danke! Ich muss nicht, ICH war schon. Ich dachte, du hättest ein dringendes Bedürfnis.“
    „ Habe ich auch, das Bedürfnis, dich zu beruhigen. Komm bitte raus.“
    Seine Stimme, die im Wagen noch extrem gereizt war, klang wieder ganz sanft.
    „ Wieso? Darf ich nicht mehr fahren?“
    „ Im Moment bist du

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