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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Geschlechtsumwandlung etwas damit zu tun hat, dass es eine Kreuzung zwischen unterschiedlichen Gattungen gegeben hat. Dein Großvater…“
    „ Ja?“ Jetzt auch noch mein Großvater!
    „ Er war ein Werwolf.“
    „ Wie bitte?! Ein Werwolf?“
    Ich konnte es nicht fassen. Einen Tag zuvor war ich noch ein ganz normales Mädchen, Tochter von ganz normalen Eltern gewesen und jetzt entpuppte ich mich als Nachkomme von Fabelwesen.
    Entsetzt kamen mir Bilder in den Sinn, die ich aus Filmen kannte. Ich versuchte, mir meinen Großvater als halb Mensch, halb Wolf vorzustellen, oder mal Mensch, mal Wolf. Ob er bei Vollmond Leute überfiel? Es wurde immer grotesker. Ich war fix und fertig. Anna, der mein Blick nicht entgangen war, versuchte mich zu beruhigen.
    „ Vergiss alles, was du bisher über sie gehört hast. Man wird nicht durch einen Biss zu einem Wolf, das ist eine Erfindung aus Hollywood. Man wird zu einem geboren. Es ist erblich. Den Legenden zufolge war es ein Fluch. Werwölfe sind im Grunde genommen nicht böse. Es existieren zwar wenige Rudel, die in entlegenen Regionen angesiedelt sind, aber die meisten leben unter uns. Sie sind deine Nachbarn, ohne dass du es ahnst.“
    Irgendetwas in ihrem Blick kam mir seltsam vor. Versuchte sie etwa, mir klarzumachen, dass sie dazugehörte. Hatte sie nicht zuvor gesagt, sie und meine Mutter wollten umziehen, um mir das zu ersparen. Nur mir, oder auch Marie und Manuel? Nach einem langen Schweigen traute ich mich endlich, die Frage zu stellen: „Du auch?“
    „ Ja … Ich auch.“
    „ Und was bist du?“, als hätte ich es noch nicht begriffen.
    „ Eine Wölfin.“
    „ Und Manuel?“
    „ Weiß ich nicht. Bis heute Morgen hatte ich immer gehofft, er würde sich nie verwandeln, aber unbewusst habe ich schon immer damit gerechnet. Er ist zu intuitiv, zu sensibel, um nur ein Mensch zu sein. Ich glaube, sein Vater hat es auch immer geahnt.“
    „ Also weiß Miguel Bescheid?“
    „ Ja, leider. Unsere Beziehung wurde dadurch zerstört. Er hat mir nie verziehen, dass ich ihm die Wahrheit über mich verschwiegen habe. Unglücklicherweise wurde er eines Tages Zeuge einer Verwandlung. Es war ein Schock für ihn. Manuel war damals gerade drei Jahre alt. Sein Verhalten hat sich uns gegenüber von einem Tag zum anderen völlig geändert. Lange hat er uns angestarrt, als wären wir Monster. Kaum zu glauben, er ist aber früher ein fröhlicher Mensch gewesen.“
    „ Willst du deshalb nicht, dass ich mit Papa darüber rede?“
    „ Ich kann es dir nicht verbieten. Ich habe deiner Mutter versprochen, ihm niemals die Wahrheit zu sagen. Wenn du das machen willst, werde ich da sein, um dir zu helfen, es ihm zu erklären. Aber bevor du das tust, solltest du über die Folgen nachdenken.“
    „ Und Manuel … Weiß er etwas?“
    „ Nein, noch nicht.“
    „ Noch nicht! Das heißt, du hast vor, mit ihm darüber zu sprechen?“
    „ Ich denke in der Tat darüber nach. Den ganzen Tag habe ich das Für und Wider abgewogen und bin der Meinung, dass es besser wäre, ihn darauf vorzubereiten. Was meinst du? Hättest du es gerne gewusst?“
    „ Vielleicht … Ja, ich glaube, schon. Wie hast du Papa davon überzeugt, der Polizei nichts von dem Löwen zu erzählen?“
    „ Ich habe gesagt, ich würde ihn kennen. Er gehöre einer Freundin und wäre total harmlos. Gut, dass er nicht mitbekommen hat, dass er aus deinem Zimmer gesprungen ist. Da er ihm und Marie das Leben gerettet hat, fühlte er sich ihm verpflichtet. Der Tiger wurde gefangen, ehe die Polizei überhaupt ankam. Ich hatte Angst, sie würden den Wald durchkämmen, falls jemand auf den Löwen zu sprechen käme. Was dich angeht, war dein Vater fest davon überzeugt, dass es etwas mit Antoine zu tun hat.“
    „ Den hatte ich total vergessen. Mir wird übel, wenn ich daran denke, dass ihr alle meine Freunde angerufen habt. Sie werden meinen, dass ich seinetwegen weggelaufen bin. Am Montag werde ich die Lachnummer der Schule sein.“
    „ Mach dir deswegen keine Sorgen. Wir haben niemanden angerufen. Ich habe sofort vorgeschlagen, das Telefonieren zu übernehmen, unter dem Vorwand, Manuel würde alle deine Bekannten kennen.“
    „ Danke! Du hast wirklich an alles gedacht.“
    „ So, ich muss jetzt gehen. Dein Vater wird sich fragen, was wir so lange zu bereden haben. Ich meinte zu ihm, ein Gespräch von Frau zu Frau würde dir vielleicht gut tun. In Bezug auf den Hausarrest werde ich versuchen, ihn umzustimmen. Ich werde ihm klarmachen,

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