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Im Namen der Engel

Im Namen der Engel

Titel: Im Namen der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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andere Möglichkeit ist natürlich die, dass irgendein Spaßvogel angerufen und sich für ihn ausgegeben hat. Ich habe sogar angenommen, dass Sie beim Aussuchen der Geschenke möglicherweise Hilfe hatten.« Sie geriet ins Stocken. »Von jemandem, der mich ziemlich gut kennt, wissen Sie. Und dass dieser Jemand vielleicht dachte, es wäre ganz spaßig, mich mal ein bisschen auf den Arm zu nehmen.«
    »Sie meinen Payton McAllister?« Professor Cianquino lächelte. »Nein. Ich hatte zwar Hilfe, aber nicht von dieser Art. Und es war keine technische Störung.«
    Bree legte das Sandwich hin und nahm sich ihr Weinglas. Hatte in den Südstaaten denn schon jeder gehört, dass Payton die Ratte ihr den Laufpass gegeben hatte? Sie nahm einen großen Schluck Wein, um sich nicht anmerken zu lassen, wie irritiert sie war. Professor Cianquino zuckte zusammen. Der Wein war, wie sie insgeheim einräumen musste, viel zu gut, um ihn in sich hineinzukippen, aber das war ihr im Moment ganz egal. Dann kam ihr zu Bewusstsein, was Professor Cianquino noch gesagt hatte. Wieder riss sie erstaunt die Augen auf. »Sie behaupten also«, wandte sie sich in höflichem Ton an ihn, »dass Benjamin Skinner der Niederträchtige mich nach seinem Tod angerufen hat? Dass der Anruf von einem Geist kam?« Sie achtete darauf, mit sanfter, ruhiger Stimme zu sprechen. Was immer dem armen Professor Cianquino auch fehlte, es war offenbar nicht auf sein Bein beschränkt. Eine Stelle aus Hamlet schoss ihr durch den Kopf: Oh, welch ein edler Geist ist hier zerstört!
    Er sah sie streng an. »Wie lautet der wichtigste Grundsatz, den ich Ihnen beigebracht habe?«
    Darüber brauchte Bree gar nicht erst nachzudenken. Er hatte es all seinen Studenten eingebläut. »Dass Wahrheitsfindung auf Erfahrungen beruht.«
    »Und was schlussfolgern Sie daraus?«
    Bree sah ihn an, unschlüssig, worauf das abzielte. »Tja, vermutlich heißt das, dass man reden kann, bis man blau anläuft, aber erst dann etwas mit Sicherheit weiß, wenn man es selbst ausprobiert hat.«
    Er nickte. »Dass nur die unmittelbare Erfahrung jemandem dazu verhilft, etwas wirklich zu wissen . Ich kann mich also, bis ich blau anlaufe, darüber auslassen, von wem dieser Anruf kam und warum ich möchte, dass Sie diesen Fall übernehmen. Glauben werden Sie mir aber erst, wenn Sie entsprechende Erfahrungen selbst gemacht haben.« Er fasste über den Tisch, legte seine Hand leicht auf die ihre und zog sie sofort wieder zurück. »Ich versichere Ihnen, ich kann einen Kirchturm von einem Leuchtenpfahl unterscheiden.«
    » Hamlet, Hamlet, Hamlet «, rief der Vogel.
    »Sei still, Archie.« Der Vogel ließ sich schmollend auf seiner Sitzstange nieder. »Ich möchte, dass Sie Benjamin Skinners Fall übernehmen, Bree. Als ersten Fall in Ihrer neuen Tätigkeit. Darum geht es bei alldem.«
    Bree richtete den Blick auf das Weinglas in ihrer Hand. Es war leer. Vorsichtig stellte sie es auf den Tisch. »Bei allem Respekt, Sir …«
    Von ferne war das Läuten der Türklingel zu hören. Professor Cianquino setzte seinen Rollstuhl in Bewegung. »Unser Besuch ist früh dran.«
    Bree starrte ihn an. Benjamin Skinner war tot. Drei Fernsehreporter konnten sich nicht irren. Oder?
    »Ich werde sie hereinlassen. Wenn Sie mich also einen Moment entschuldigen würden. Es könnte ein Weilchen dauern. Bitte warten Sie auf mich. Und beenden Sie Ihren Lunch.«
    Er rollte zur Tür hinaus, die er hinter sich schloss. Bree stocherte in ihrem Essen herum. Dann schenkte sie sich ein weiteres Glas Wein ein. Sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen, dass ihr Lehrer – ein Mann, der an der Universität das höchste Ansehen genoss – vollständig übergeschnappt war.
    Sie zwang sich, logisch zu denken.
    Er hatte den Besuch als »sie« bezeichnet.
    Folglich konnte es nicht sein, dass er den Geist, das Gespenst, den Revenant, den verwesenden Leichnam oder was auch immer von Benjamin Skinner hereinließ, um über seinen Fall zu konferieren. Benjamin Skinner war ganz entschieden ein »Er«, wie sein silikongepolstertes blondes Schätzchen bei ihrem Fernsehauftritt festgestellt hatte.
    Sie lehnte sich zurück. Das war doch zu albern. Professor Cianquino war nicht verrückt. Sie war verrückt. Sie hatte ein paar schlimme Träume, einen kindischen Telefonanruf und einige undeutlich wahrgenommene Schatten auf perverse Weise aufgebauscht. Hatte der Professor auch nur ein Wort über Gespenster gesagt? Über das Leben nach dem Tod? Über

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