Im Namen der Heiligen
Ansicht sein wie du, und dies auch offen sagen. Ich weiß es besser, mein Sohn. Wir haben nur einen einzigen Beweis gegen Columbanus - sein Schuldgeständnis, das Sioned und ich hier in der Kapelle hörten. Das heißt - wir hatten diesen Beweis, denn er existiert nicht mehr. Wäre Columbanus noch am Leben, könnten wir ihn zwingen, sein Geständnis zu wiederholen. Aber da er tot ist, wird er uns diesen Gefallen nicht tun. Und ohne dieses Geständnis befinden wir uns in einer äußerst schwachen Position. Glaubt mir - wenn wir ihn beschuldigen, wenn dieser schreckliche Skandal das Kloster von Shrewsbury besudelt und damit den ganzen Benediktinerorden, der hier die Unterstützung des Bischofs und des Prinzen genießt, werden sich alle Autoritäten vereinen, um die Katastrophe abzuwenden. Und sie werden nicht dulden, daß sich jemand in ihren Weg stellt - schon gar nicht ein Ausländer, der hier keine Freunde hat. Die Benediktiner können es sich einfach nicht leisten, untätig mitanzusehen, wie ihre großartige Errungenschaft, die heilige Winifred, in ein schiefes Licht gerät. Viel eher werden sie behaupten, Columbanus sei von einem verzweifelten Mann getötet worden, der bereits auf der Flucht war und wegen eines anderen Verbrechens gesucht wurde. Jetzt bereue ich es, daß ich Sioned vorschlug, dich zu holen, damit du auf der Lauer liegen könntest - für den Fall, daß wir Hilfe brauchten. Aber das ist nicht deine Schuld, und ich werde nicht zulassen, daß dir das alles zur Last gelegt wird. Es war meine Idee, Columbanus diese Falle zu stellen, und ich werde das wieder in Ordnung bringen. Jedenfalls darfst du jetzt weder zu Vater Huw noch zum Amtmann oder sonst jemandem laufen, um die Geschichte brühwarm zu erzählen. Wir wollen den Rest dieser Nacht lieber nutzen, um die Dinge zurechtzurücken. Die Gerechtigkeit kann auf mehreren Wegen ans Ziel gelangen.«
»Die Leute würden nicht an Sioneds Worten zweifeln«, entgegnete Engelard eigensinnig.
»Du dummer Junge! Sie würden sagen, das Mädchen hätte - ebenso wie Peredur - seinen Charakter um der Liebe willen verleugnet. Und was mich betrifft - mein Einfluß ist gering, und ich bin nicht daran interessiert, nur mich selbst zu schützen, sondern möglichst viele Menschen, die in diese Sache verstrickt sind. Sogar meinen Prior, der zwar arrogant und unnachgiebig ist - und manchmal sogar dumm, um die Wahrheit zu gestehen -, aber kein Mörder und kein Lügner. Auch meinen Orden will ich schützen. Still jetzt, laßt mich nachdenken! Und während ich das tue, könntet ihr die Scherben von der Sirupflasche wegräumen. Diese Kapelle muß morgen früh so sauber und ordentlich aussehen wie am Abend - bevor wir Columbanus in unsere Falle gelockt haben.«
Gehorsam entfernten sie die Spuren der nächtlichen Ereignisse und überließen ihn seinen Gedanken. Nach einer Weile brach er sein Schweigen. »Übrigens, Sioned - ich frage mich, warum du beschlossen hast, den Text zu verändern, den ich für dich entworfen habe, und der heiligen Winifred so feurige Worte in den Mund zu legen. Wieso hast du behauptet, du hättest Gwytherin nie verlassen wollen - und daß Rhisiart nicht nur ein anständiger, braver Mann, sondern dein erwählter Streiter war?«
Verwundert starrte sie ihn an. »Habe ich das gesagt?«
»Allerdings, und es klang sehr überzeugend, aber das haben wir nicht geprobt. Was hat dir diese Worte eingegeben?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Sioned verwirrt. »Ich weiß gar nicht mehr, was ich gesagt habe. Die Worte kamen wie von selbst über meine Lippen.«
»Vielleicht hat die Heilige die Gelegenheit genutzt, um eine Erklärung abzugeben«, meinte Engelard. »Da waren so viele Fremde, die Visionen hatten und in Ekstase gerieten und das alles so interpretierten, wie es ihnen paßte. Aber niemand hat die heilige Winifred gefragt, was sie will. Alle behaupteten, das wüßten sie besser als sie.«
»Was der Mund der Unschuld spricht...«, flüsterte Cadfael und stellte Betrachtungen über den Weg an, der sich allmählich vor seinem geistigen Auge öffnete. St. Winifred, dachte er, müßte natürlich an erster Stelle der vielen Leute stehen, die das Ende dieser Geschichte beglücken wird. Und wenn das Ziel, alle glücklich zu machen, in unserer Reichweite liegt, warum sollten wir dann Probleme heraufbeschwören? Zum Beispiel Columbanus... Bei der Komplet haben wir alle gehört, wie er zur heiligen Winifred gebetet hat. Er sagte, wenn die gesegnete Jungfrau ihn für
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