Im Namen der Heiligen
übersät, deren verschleiertes schwaches Licht kaum Schatten warf. Die Stille ringsum schluckte ihre Schritte.
Eine große schlanke geschmeidige Gestalt sprang aus den Büschen jenseits der Friedhofsmauer, um den Ausgang zu versperren. Columbanus sah ihn, verlangsamte seine Schritte, zögerte sekundenlang, doch Cadfael rannte hinter ihm her. Der Flüchtling faßte einen Entschluß, lief weiter, direkt auf den Schatten zu, der ihm in den Weg getreten war. Plötzlich schrie Sioned, die Cadfael dicht auf den Fersen blieb: »Vorsicht, Engelard! Er hat einen Dolch!«
Engelard hörte die Warnung und sprang nach rechts, als Columbanus ihn erreicht hatte, so daß der Dolchstoß, der seinem Herzen galt, nur seinen Ärmel aufriß. Der Mönch wollte an ihm vorbeistürmen und in den Wäldern Zuflucht suchen, doch Engelards langer linker Arm traf seinen Nacken und brachte ihn für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht, während seine rechte Hand ihn an der Kapuze festhielt. Halb erdrosselt, wirbelte Columbanus herum, stach erneut mit seinem Dolch zu. Engelard war auf den Angriff vorbereitet und umklammerte mit der Linken das Handgelenk des Mönches. Schwankend rangen sie miteinander, und sie wären ebenbürtige Gegner gewesen, wären sie beide bewaffnet gewesen. Dieser Unterschied wurde bald ausgeglichen. Engelard verdrehte seinem Widersacher das Handgelenk und ignorierte Columbanus' freie Hand, die wie eine Kralle nach seiner Kehle griff. Endlich öffneten sich die betäubten Finger und ließen den Dolch fallen. Beide bückten sich danach, und Engelard war schneller, hob das Messer auf und schleuderte es verächtlich ins Gebüsch.
Dann warf er sich mit bloßen Händen auf den Mönch. In Sekundenschnelle war der Kampf vorbei. Engelard hielt den Mönch fest und preßte ihm beide Arme an den Körper. Vergeblich versuchte Columbanus sich loszureißen.
»Ist das der Mann?« fragte der Angelsachse.
»Ja«, bestätigte Sioned. »Er hat den Mord gestanden.«
Erst jetzt wandte Engelard den Blick von seinem Gefangenen ab und sah sie im sanften Sternenlicht stehen, an das sich ihre Augen längst gewöhnt hatten, so daß es ihnen taghell erschien. Er schaute auf ihr zerzaustes Haar, die großen angstvollen Augen, die blutende Wunde am linken Arm, die Blutflecken auf dem Laken, in das sie sich gehüllt hatte. Im silbernen Sternenhimmel konnte man kaum Farben wahrnehmen, doch in dieser Sekunde war alles, was Engelard sah, blutrot. Dies war Rhisiarts feiger Mörder - der Mörder des Mannes, den Engelard trotz aller Meinungsverschiedenheiten als Freund betrachtet hatte. Und jetzt hatte er auch noch versucht, Rhisiarts Tochter zu töten.
»Du hast es gewagt, sie anzurühren!« schrie der Engländer, außer sich vor Zorn. »Du nichtswürdige Ratte!«
Und er packte Columbanus am Hals, hob ihn vom Boden hoch, schüttelte ihn, als hielte er tatsächlich eine Ratte zwischen den Fingern, schleuderte ihn durch die Luft wie eine giftige Schlange und warf ihn dann ins Gras.
»Steh auf!« befahl er und starrte auf die verkrümmte Gestalt hinab. »Steh auf! Ich gebe dir Zeit, damit du dich ein wenig erholen und wieder zu Atem kommen kannst, dann wirst du mit mir kämpfen wie ein Mann, bis zum Tode - ohne den Dolch in deiner Hand. Du wirst kämpfen, wie es sich geziemt - und nicht durchs Unterholz kriechen, um dein Opfer hinterrücks zu erstechen, oder ein wehrloses Mädchen anzugreifen. Laß dir nur Zeit - ich werde dich erst töten, wenn du wieder atmen kannst.«
Sioned schlang die Arme um seinen Hals. »Nein! Rühr ihn nicht mehr an! Ich will nicht, daß du gegen das Gesetz verstößt!«
»Er wollte dich töten - du bist verletzt...«
»Es ist nur eine kleine Wunde.«
Langsam ließ sein Zorn nach. Er drückte sie an sich und berührte seinen Gegner angewidert mit der Fußspitze. »Steh auf! Ich werde dir nichts tun. Der Amtmann soll sich um dich kümmern.«
Columbanus bewegte sich nicht, zitterte nicht einmal, kein Augenlid flatterte, kein kleiner Finger zuckte. In plötzlichem Schweigen schauten die drei auf ihn hinab, als ihnen bewußt wurde, wie still er war - und wie selten eine solche Stille in lebenden Körpern ist.
»Er macht uns was vor«, meinte Engelard voller Verachtung, »weil er fürchtet, es könnte ihm noch schlimmer ergehen - und um Mitleid zu erregen. Ich habe gehört, daß er ein großartiger Komödiant ist.«
Doch jene, die sich schlafend stellen und andere über sich reden hören, verraten sich zumeist durch eine
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