Im Namen der Heiligen
übertriebene Demonstration ihrer vermeintlichen Unschuld. Und Columbanus' reglose Stille war völlig ausdruckslos.
Bruder Cadfael kniete neben ihm nieder, rüttelte ihn sanft an der Schulter und hielt den Atem an, als er die schlaffen Kopfbewegungen sah. Er schob die Hand in die Brusttasche von Columbanus' Kutte, beugte sich zu den geöffneten Lippen hinab, dann nahm er den Kopf zwischen beide Hände, drehte ihn vorsichtig hin und her und ließ ihn wieder los. Der Kopf fiel nach hinten und blieb in einer so unnatürlichen Haltung im Gras liegen, daß Sioned und Engelard das Schlimmste bereits wußten, als Cadfael in sachlichem Ton zu sprechen begann. »Du hättest vergeblich gewartet, bis er wieder zu Atem gekommen wäre, mein Freund, und du hast deine Kräfte unterschätzt. Du hast ihm das Genick gebrochen. Er ist tot.«
Benommen blickten sie auf den Mönch hinab. Noch war ihnen nicht zu Bewußtsein gekommen, daß sein Tod eine Katastrophe war, denn sie betrachteten dies als bedauernswerten Unfall, den niemand beabsichtigt hatte, der aber in gewisser Weise das Walten der Gerechtigkeit bewies. Cadfael befürchtete jedoch einen Skandal, der das Leben der beiden jungen Menschen und auch anderer zerstören könnte. Denn nachdem Columbanus tot war und nicht mehr gezwungen werden konnte, sein Geständnis vor amtlichen Zeugen zu wiederholen - welche Beweise wollten sie gegen ihn vorbringen? Nachdenklich kauerte Cadfael im Gras. Jetzt, wo sich die nächtliche Stille wieder herabgesenkt hatte, erschien es ihm seltsam, daß sich all diese leidenschaftlichen, heftigen Aktivitäten relativ leise und ohne größeres Publikum abgespielt hatten. Er lauschte, doch da waren weder Stimmen noch Schritte zu hören, die das Schweigen durchbrochen hätten, nicht einmal die Flügelschläge eines Vogels. Die nächsten Gehöfte lagen weit entfernt, keine Menschenseele war aus dem Schlaf gerissen worden. Dadurch gewannen sie wenigstens Zeit.
»Er - er kann nicht tot sein«, sagte Engelard unsicher.
»Ich habe ihn doch kaum angerührt. So leicht stirbt man nicht.«
»Dieser Mann schon. Was sollen wir jetzt tun? Darauf war ich nicht gefaßt.« Cadfael beklagte sich nicht, doch sein Tonfall ließ erkennen, daß er gründliche Überlegungen für erforderlich hielt und daß die beiden ihre Gehirne anstrengen sollten.
»Was können wir denn tun?« Für Engelard war die Situation völlig klar, wenn auch keineswegs erfreulich. »Wir müssen zu Vater Huw und deinem Prior gehen und ihnen alles erzählen. Was sollen wir denn sonst machen? Es tut mir leid, daß ich den Burschen getötet habe, aber ich kann nicht sagen, daß ich mich deshalb schuldig fühle.« Er erwartete auch nicht, daß ihn irgend jemand zur Rechenschaft ziehen würde. Die Wahrheit war immer der beste Weg. Diese unschuldige Haltung erweckte ein widerwilliges Gefühl der Zuneigung in Cadfael. Früher oder später würde die Welt Engelards Naivität besiegen, aber jene eine unverdiente Anklage hatte nicht einmal daran gekratzt. Er vertraute immer noch auf die Vernunft der Menschen. Cadfael bezweifelte, daß sich Sioned ebenso sicher fühlte. Ihr Schweigen verriet eher, daß sie Angst hatte und von dunklen Vorahnungen gequält wurde. Aus ihrer Wunde am Arm quoll immer noch Blut. Nun, eins nach dem anderen, dachte Cadfael. Wir können uns zumindest betätigen, während wir Pläne schmieden.
»Los, macht euch nützlich! Engelard, du hilfst mir, den Toten in die Kapelle zu tragen. Hier kann er nicht liegenbleiben. Sioned, such seinen Dolch. Niemand darf dieses Beweisstück finden. Dann muß dein Arm gewaschen und verbunden werden. Hinter den Hagedornsträuchern fließt ein Bach, und Leinentücher haben wir genug.«
Sie verließen sich völlig auf ihn und gehorchten widerspruchslos. Aber nachdem sich Engelard vergewissert hatte, daß Sioned tatsächlich nur leicht verletzt und daß die Wunde fachgemäß verbunden war, beharrte er auf seiner Meinung, daß es am besten wäre, die ganze Geschichte zu erzählen. Er erklärte, die Ereignisse würden niemanden belasten außer Columbanus. Cadfael zündete die Kerzen in der Kapelle an und goß Öl in die Lampe, aus der er eine beträchtliche Menge entfernt hatte, bevor Sioned zwischen den Falten der Tücher verschwunden war, die vom Katafalk der Heiligen herabhingen.
»Du glaubst«, begann er schließlich, »weil du nichts Böses getan hast und weil wir uns verbündet haben, um einen Mord aufzuklären, würde die ganze Welt derselben
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