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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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sie manchmal ein bestimmtes Tier für eine spezielle Bestellung heraussuchen. In der Regel jedoch werden die Tiere je nach Tagesbedarf der Reihe nach zerlegt, ohne eigens auf das Geschlecht des Tieres zu achten. In unserem speziellen Fall wurde ein Teil des aufgesägten Körpers auf dem einen Band zerlegt und der symmetrische Gegenpart auf einem anderen. Sie können sich sicher vorstellen, wie sehr mir das noch zusätzlich die Arbeit erschwert hat, um die Leiche in all ihren Einzelteilen zu identifizieren … Wollen wir weitergehen in den letzten Kühlraum?«
    Sie gehen aus der zweiten Kühlhalle hinaus und in die dritte hinein. Berganza und Varela folgen ihnen immer von Türrahmen zu Türrahmen und lauschen von dort aus ihrer Unterhaltung.
    »Also, hier haben wir Schinken und Schulterblätter«, sagt Prades. »Das war leicht. Hier sind die Stücke, die uns interessieren und die natürlich sehr viel länger sind als die anderen. Die Beine wurden mit zwei Schnitten vom Rumpf getrennt.« Zur Veranschaulichung dreht er das rechte Bein hin und her, das an einem Haken hängt. Der erste Schnitt verläuft auf der Linie zwischen den Gesäßmuskeln und der zweite senkrecht Richtung Rücken, sozusagen die Tangente zum Darmbein. »Man kann hier noch einen der Einrisse bewundern, von denen ich gesprochen habe«, mit dem Zeigefinger, der in den Handschuhen steckt, führt Prades es vor. »Sehen Sie diese Naht seitlich? Am anderen Bein sieht man es sogar noch besser … Hier kann man das Übergewicht, von dem ich Eingangs sprach, gut erkennen. Schauen Sie sich mal diese Menge an Fett im Oberschenkel an.« Er klatscht mit der Handfläche auf das Stück Fleisch. »Das Blut, das in der Femoralvene und der Vena saphena verbleibt, wurde durch Druck herausgepresst. Das scheint der übliche Ablauf zu sein … Wie Sie sehen, sind die Füße noch dran. Hier ist auch der einzige Fußnagel, der dem Abbrühen standgehalten hat.« Er geht ein paar Meter weiter und nimmt ein anderes Stück in die Hand, das nur noch schwer als ein menschlicher Arm zu erkennen ist. »Dagegen wurden bei den vorderen Extremitäten die Hände abgeschnitten. Das macht man in der Regel wohl dann, wenn das Schulterblatt weiter in die Wurstfabrikation wandert. Gut … Wie Sie sicher bemerkt haben, fehlen einige wichtige Körperteile noch. Eines davon ist natürlich der Schwanz, aber den haben wir bisher nirgendwo finden können.« Prades grinst, um zu unterstreichen, dass dies als Scherz gemeint war. »Der Rest liegt draußen auf einem Tisch. Gehen wir? Damit kommen wir dann auch zum Schluss. Ich bin seit fünf Uhr früh hier und habe bisher nur Kaffee getrunken. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich mich darauf freue, hier aus den Kühlhallen endlich herauszukommen und etwas Warmes in den Magen zu bekommen.«
    Die vier entfernen sich von der Kühlung und laufen hinüber zu einem großen Stahltisch, der unter ein paar senkrechten Tafeln steht. Varela ist diesmal der Gruppe ein paar Meter voraus. Er schaut sich die Zettel an, die mit Magneten an der Tafel hängen. Sie sehen nach Bestellungen aus: Fleischwaren Mentilla, El Asador, Metzgerei Hernandez … Unter einer Reihe von Leuchtstoffröhren hat der Tisch etwas von einer gut ausgeleuchteten Insel, die zwischen Metalltafeln liegt.
    Varela bleibt auf der anderen Seite vor einer niedrigen, blauen Plastikwanne stehen, die mit durchsichtiger Plastikfolie versiegelt ist. Er geht näher heran und sieht verschiedene Stücke rosafarbenen Fleischs, aber ihn interessiert vor allem ein Zettel, der in der Mitte hervorlugt und der unter der Folie zu sehen ist. Darauf stehen mit Filzstift in unpersönlichen Großbuchstaben ein paar Worte. Nach dem Namen einer Fleischerei sieht es eigentlich nicht aus. Er betrachtet das Fleisch genauer. Als er den Blick scharf fokussiert hat, bleibt ihm gerade noch genug Zeit, um sich auf der eigenen Achse umzudrehen und mit der Faust die Spucke wie in einem Papiertütchen aufzufangen. Ihm kommt die Galle hoch und alles schießt ihm vom Bauch direkt in den Rachen.
    »Ihr Assistent ist also schon mal vorgegangen«, sagt Prades mit hochgezogenen Brauen und wendet sich an den Kommissar. »Zum Glück hatte er nur Kaffee getrunken. Der Fotograf vorhin hatte Croissants gefrühstückt …«
    »Ist alles in Ordnung, Varela?«, fragt der Kommissar von weitem. Varela versucht zu nicken, während er hustet und Speichel und bitteren Schleim herunterschluckt. Er hat sich fest vorgenommen, hier nicht auf

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