Im Netz der Meister (German Edition)
hatte Gerald schon seit Jahren nicht mehr mit ihr verbracht. Simones Sehnsüchte wurden immer heftiger, ihre Fantasien blieben diffus.
Lars begann, ihr kleine Aufgaben zu geben. »Schmink dir die Brustwarzen, bevor du zur Arbeit fährst. Als Zeichen dafür, dass du mir gehörst.«
Das tat sie natürlich nicht, denn sie wollte sich die guten Mohairpullover nicht verderben. Dennoch erstattete sie ihm gehorsam Bericht über ihre theoretische Gehorsamkeit.
Lars befahl ihr, einen Latexslip zu kaufen. »Einen Slip, keinen String, Angel! Du sollst es genießen, wenn du spürst, wie es ist, wenn du dich aus diesem wunderbaren Gefängnis befreien darfst!«
»Nein, bitte verlang das nicht von mir! Ich kann unmöglich in einen Sex-Shop gehen und Latexwäsche kaufen. Wenn mich einer meiner Kunden sieht! Und außerdem: Wo soll ich denn so etwas verstecken, damit mein Mann es nicht findet?«
Von diesem virtuellen Verhältnis sollte Gerald nichts wissen. Sie wollte ihr kleines Geheimnis und ihre Fantasien für sich alleine haben. Es hätte ihn nur unnötig gekränkt oder eifersüchtig gemacht, denn real würde sie Lars sowieso niemals sehen.
Lars war ein verständnisvoller Herr. Das Argument »Ehemann« zog, denn auch er hatte Geheimnisse vor seiner Frau: Er war nur während seiner Arbeitszeit online, und sie durfte nichts von dem realen Doppelleben, das er führte, wissen. An den Wochenenden hörte Simone nie etwas von Lars. An diesen Tagen tauchte sie wieder in ihre Normalität ein – sehnsüchtig auf den Montag wartend.
»Okay, Angel, kleine Schlampe, ich bin tolerant. Dann verzichten wir vorerst auf Latex. Du wirst deinen süßen Hintern in Frischhaltefolie einwickeln, dir einen Slip daraus basteln. Du wirst ihn heute Mittag ab zwölf Uhr drei Stunden lang tragen. Und dann wirst du mir berichten, wie dein Unterleib darauf reagiert hat.«
Er schrieb nicht Unterleib, er benutzte ein anderes Wort.
»Jawohl, mein HERR«, schrieb sie zurück und sie lachte insgeheim.
Wozu sollte das gut sein? Ihr Hinterteil in Frischhaltefolie – was für ein Quatsch. Natürlich führte sie auch diesen Befehl nicht aus. Es war ja sowieso nur ein Spiel. Dennoch versuchte sie sich vorzustellen, ob es ein erregendes Gefühl sein könnte, schwitzend und eingeengt einige Stunden lang in einem Folienslip herumzulaufen. Sie fand den Gedanken lächerlich.
Lars schickte ihr aber auch Fantasien, die ihr sehr gefielen. »Stell dir vor, du stehst in der Mitte eines dunklen Raumes, nur Kerzenlicht. Es ist warm. Du stehst nackt in der Mitte des Zimmers, mit verbundenen Augen. Ich bin in deiner Nähe, du hörst mich. Ich greife dir in den Schritt. Du bist erregt, Schlampe, ich fühle es. Ich spiele mit dir, fasse an, lasse los, aber du darfst nicht kommen. Und du sagst keinen Ton. Ich will nichts hören. Wenn du stöhnst, dann wirst du die Peitsche spüren.«
Er schickte ihr viele solche Visionen und Simone las sie mindestens tausend Mal. Und sie erlebte sie jeden Abend, jede Nacht in ihren Träumen. Sie wusste nicht genau, was sie erregte, aber der Gedanke an Schläge mit der Peitsche war es ganz sicher nicht.
Die morgendlichen Fragen ihres Herrn nach ihrer Garderobe begannen, etwas zu bewirken: Simone färbte sich die Haare dunkelbraun, fast schwarz. Ihre hellen Augen leuchteten durch den Kontrast. Sie begann wieder, sich täglich zu schminken. Zuerst dezent, unsicher, dann routinierter. Dunkler Kajal, schwarze Wimpern, rote Lippen. Sie fuhr in die Stadt und kleidete sich neu ein. Strings, halterlose Strümpfe, hochhackige Pumps. Sie fühlte sich wunderbar. Jetzt wurde sie optisch zu der Frau, die sie sein wollte. Das Gesicht im Spiegel, jetzt war es ihr eigenes.
Simone ging durch die Straßen und blickte den Männern herausfordernd ins Gesicht. »Wenn du wüsstest, wie ich unter meiner Jeans aussehe!«, dachte sie dann.
Ihr Lächeln, ihre gerade und stolze Haltung und vielleicht auch die neue Ausstrahlung bescherten ihr zahlreiche bewundernde Augen-Blicke.
Gerald bemerkte ihre Veränderungen. »Toll siehst du aus, Schatz. Kannst du in den hohen Schuhen den ganzen Tag laufen? Verdirb dir bloß nicht den Rücken.«
Lars und Simone verabredeten sich zu einem ersten Telefonat. Sie hatte ihm ihre Handynummer gegeben. Sie wollte nicht, dass er in der Buchhandlung anrief und ihren wahren Namen kannte. Simone ging in der Mittagspause mit dem Hund spazieren, hielt ihr Handy mit zitternden Fingern und schnappte vor Aufregung nach Luft, als es
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