Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
größeres Vergnügen als die Tatsache, dass er die Mädchen zu sich nach Hause verschleppte und schlimme Dinge mit ihnen anstellte. Dinge, die er tun musste, wenn er ihnen eine Lektion erteilen wollte.
War er der Einzige, der es sich nicht gefallen ließ, dass freche und verzogene Gören so taten, als gehöre die ganze Welt ihnen?
Samstag, 17. August 1996, 19 Uhr
Lizzy Gardner ging auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und hoffte, dass es ihr gelingen würde, unbemerkt das Haus zu verlassen. Aber als sie unten im Flur ankam, fiel der Lippenstift ihrer Schwester aus ihrer Gesäßtasche und kullerte über den Fliesenboden.
»Wohin gehst du denn jetzt schon wieder, Elizabeth?«, rief ihr Vater aus der Küche.
Mom stand hinter Dad und machte eine wegwerfende Handbewegung, mit der sie Lizzy wissen ließ, dass es in Ordnung war. Dad musste mal wieder Dampf ablassen. Das tat er immer, wenn sie mit ihren Freundinnen weggehen wollte.
»Heute ist die letzte Nacht, wo ich meine Freundinnen sehen kann«, log Lizzy. »Emily und Brooke fahren morgen nach San Diego.«
»Das ist auch gut so«, sagte er. »Du solltest langsam mal daran denken, mit Leuten in deinem Alter zu verkehren. Wer fährt Auto?« Er machte die Haustür auf und sah auf die Straße hinaus.
Emily winkte aus ihrem VW-Käfer Cabrio. »Hallo, Mr. Gardner!«
Dad schloss brummend die Tür. »Du solltest heute Nacht wirklich nicht weggehen. Da läuft immer noch ein Mörder frei herum.«
Nicht schon wieder diese Leier
. Der berüchtigte Teenager-Killer hatte seit Monaten nicht mehr zugeschlagen. Aber nachdem der Irre innerhalb von drei Monaten ein fünfzehn- und zwei sechzehnjährige Mädchen umgebracht hatte, machten sich selbst völlig normale Eltern bei dem geringsten Anlass in die Hose.
»Dad. Bitte.«
»Du kommst mir spätestens um zehn nach Hause.«
»Tom«, mischte sich ihre Mutter ein. »Ich habe Lizzy versprochen, dass sie bis halb zwölf weggehen darf. Das ist ihre letzte Nacht mit den Mädels. Nach dem Bowling gehen sie alle zu Brooke nach Hause. Du kennst Brookes Eltern ja schon. Da ist sie gut aufgehoben.«
»Mir gefällt das ganz und gar nicht«, sagte Dad kopfschüttelnd.
»Du kannst gehen«, sagte Mom mit einer lässigen Handbewegung. »Bis später dann.«
Lizzy ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie vergaß den Lippenstift, der ihr aus der Tasche gefallen war, und rannte ohne sich umzusehen aus dem Haus.
Samstag, 17. August 1996, 23:25 Uhr
Lizzy wünschte sich, die Nacht würde nie vorbeigehen. Als Jared sie heimbrachte und sich dem Haus ihrer Eltern näherte, blickte sie durch die Windschutzscheibe. Draußen war es stockdunkel – eine wunderbare, perfekte Nacht.
Jared bog nach rechts in die Emerald Street ab.
»Würdest du bitte da vorne anhalten«, sagte sie und deutete auf den Bordstein am Ende des Blocks. »Ich geh den Rest zu Fuß. Wenn mein Dad sieht, dass du mich heimgefahren hast, bringt er mich um.«
Jared fuhr mit dem Ford Explorer seines Vaters rechts ran und stellte den Motor ab. Lizzy löste den Sicherheitsgurt, beugte sich zu ihm und drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Als sie ihren Kopf wieder zurückzog, bekam sie feuchte Augen.
»Stimmt irgendwas nicht?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich hasse einfach dieses Gefühl … als ob ich dich nie wiedersehen werde.«
Jared zog sie an sich heran und küsste ihre Nasenspitze, ihre Wange, ihr Kinn und schließlich ihren Mund. Jeder Kuss fühlte sich wie der erste an. Und jetzt zog er weg, um aufs College zu gehen. Das Leben war wirklich nicht fair. »Ich wünschte, diese Nacht würde nie zu Ende gehen«, sagte sie.
»Mir geht es genauso«, sagte er, bevor er sie erneut küsste, dieses Mal intensiver.
Sie mochte einfach alles an Jared Michael Shayne: Sein Aussehen, die Wirkung, die er auf sie hatte, seinen Geruch und den Klang seiner Stimme.
»Jared?«
»Hmm?«
»Du wirst mich doch hoffentlich nicht vergessen, oder?«
»Ausgeschlossen.«
Nach einer langen Pause lachte er und sagte: »Schau uns nur mal an. Wir tun ja gerade so, als würden wir uns nie wiedersehen. Ich ziehe nach Los Angeles und nicht auf den Mars. Mit dem Autosind das höchstens fünf oder sechs Stunden. Du brauchst mich nur anzurufen, und schon bin ich da.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort.« Er küsste sie noch einmal.
Die Digitaluhr auf dem Armaturenbrett zeigte 23:25 an, bevor Jared anhielt. Dad bekam wahrscheinlich schon einen Tobsuchtsanfall. »Ich gehe jetzt lieber.« Sie wandte sich
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