Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
auch Skorpione und Tausendfüßler. Die Insekten krabbelten aufeinander herum und suchten einen Weg nach draußen. Sie saßen in der Falle, genau wie sie.
Was auch immer sich auf ihrem Bein befand, war inzwischen über ihr Knie hinweg gekrabbelt.
Es ist doch bloß ein Insekt … ein blödes Insekt. Reiß dich zusammen, Lizzy. Wenigstens ist es nicht dunkel.
Mehr als alles andere wünschte sie sich, dass der Irre nicht zurückkam. Sie wollte nicht sterben.
Sie musste an die anderen Mädchen denken. Sie zappelte wie eine Fliege, die in einem Spinnennetz gefangen war, und ignorierte den glühenden Schmerz, als sie herauszufinden versuchte, wo genau auf ihrem Rücken sich die Seile überschnitten.
Mit einem Mal überkam sie eine schon fast unheimliche Ruhe und Gelassenheit. Ihr Überlebenswille war größer und stärker als das Monster, das sie gefesselt hatte. Der Irre, dem sie jetzt und für immer den Namen »Spinnenmann« gab, wusste nicht, dass sie extrem gelenkig war. Dieses kranke Arschloch hatte zum Glück überhaupt keine Vorstellung davon, wie sehr sie ihre Gliedmaßen und Gelenke biegen konnte. Der Geruch ihres eigenen, eingetrockneten Blutes ließ erneut ihren Magen rebellieren. Sie konnte es sich jetzt auf keinen Fall leisten, in Ohnmacht zu fallen. Sie musste sich aus ihren Fesseln befreien und von hier verschwinden, bevor er wiederkam.
Vergiss den Spinnenmann.
Konzentriere dich.
Ein bisschen mehr Druck auf die linke Schulter und es müsste klappen.
Sie hatte schon öfter ihr Schultergelenk ausgerenkt, um auf Partys ihren Freunden zu imponieren. Der Arzt nannte das eine atraumatische Schulterluxation. Wenn ihr das jetzt gelang … wenn sie ihren Arm nur ein bisschen weiter nach links bewegen konnte …
Konzentrier dich, Lizzy. Knack.
Eine Träne lief ihr über die Wange.
Danke, lieber Gott.
Der pochende Schmerz, den die ausgerenkte Schulter verursachte, war nichts im Vergleich zu den höllischen Schmerzen in ihrem Kopf und dem Brennen in ihrem Bein, wo er sie mit einem harten Gegenstand getroffen hatte. Sie wand sich auf dem Boden hin und her, um ihre Fesseln zu lockern, drückte dann ihr Kinn auf die Brust, nahm das Seil zwischen die Zähne und zog daran. Es funktionierte. Das Seil lockerte sich und sie bekam ihre rechte Hand frei. Ja! Der Rest war leicht.
Sie drehte sich auf den Rücken, setzte sich auf und löste mit ihrer rechten Hand die Fesseln um ihre Fußknöchel. Die Zeit drängte. Mit dem rechten Arm zog sie den linken an ihre Brust und renkte die Schulter wieder ein. Erleichterung durchflutete sie.
Sie rappelte sich auf. Der Adrenalinschub sorgte dafür, dass sie in Bewegung blieb und nicht in Ohnmacht fiel. Eine Spinne fielihr vom Kopf und landete vor ihr auf dem Fußboden. Das achtbeinige Untier war groß, haarig und braun. Mit dem Zeh ihres nackten Fußes schubste sie das Insekt zur Seite und fuhr sich mit hektischen Bewegungen durch ihr zerzaustes Haar, um die Insekten, die sich dort eingenistet hatten, loszuwerden. Die Viecher hatten sie mehrmals gebissen.
Es wimmelte nur so von Spinnen. Sie krabbelten über den Fußboden und um die Pappkartons herum. Lizzy hielt still und wartete, bis ihre Benommenheit verschwand.
Los, Lizzy. Hau bloß ab hier.
Beim ersten Schritt knickte ihr beinahe das Bein weg, aber sie konnte sich wieder fangen, indem sie sich an der Wand abstützte. An ihre Verletzungen und Schmerzen durfte sie jetzt nicht denken. Sie musste dringend von hier weg.
Lizzy spähte durch einen Spalt in den Jalousien. Das Fenster war außen vergittert. Sie humpelte zur Tür und stellte zu ihrer Verwunderung fest, dass sie nicht abgeschlossen war.
Sie lauschte. Jemand redete. Stimmen. Irgendwo lief ein Fernseher. Leise trat sie in den Flur. Auf dem Fußboden lag ein dicker Teppich. Das Haus wirkte wie neu: frischer Anstrich, neuer Teppich, keine Bilder, Fotos oder sonstige Dekorationen an den Wänden.
Nur nichts überstürzen. Leise. Langsam. Ihr Blick fiel auf die Eingangstür, eine ganz normale Tür mit Spion und Kette. Ihr Herz schlug dreimal so schnell.
Oh mein Gott. Oh mein Gott.
Am liebsten wäre sie zur Tür gerannt, aber sie unterdrückte den Impuls, überstürzt zu handeln und damit unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Kette an der Tür wirkte solide. Sie war an eine schwere Metallhalterung montiert. Lizzy schluckte und blickte sich im vorderen Zimmer um. Im Fernsehen lief eine Reklame für Hundefutter. Ihre Zunge fühlte sich dick und
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