Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
Firma Vivos hat deshalb gerade in der kalifornischen Mojave-Wüste einen Hochsicherheitsbunker fertiggestellt, die Anlage soll im Notfall Platz für 200 Menschen bieten, nach eigenen Angaben hat die Firma bereits mehrere tausend Anmeldungen erhalten (www.terravivos.com/secure/reserve.htm). 20 Bunkeranlagen sollen bis 2012 in den USA entstehen, und auch der europäische Markt soll erobert werden. In wenigen Jahren will Vivos ein Bunker-Netzwerk betreiben, das sich über die USA, Europa, die ganze Welt erstreckt – eine Art Starbucks oder H&M der totalen Sicherheit.
Auf der Website von Vivos sind verschiedene Apokalypse-Optionen aufgeführt: Erdbeben oder Tsunami, Viren, iranische Atombomben oder doch der geheimnisvolle Planet Aros, der unsichtbar auf uns zurast. Nur noch wenig Zeit bleibt, ehe am 21. 12. 2012 der Maya-Kalender endet, auch Nostradamus und die Hopi-Indianer äußerten sich nicht gerade optimistisch. Entscheidend, so die Vivos-Macher, sei aber nicht, welche Weltuntergangsvision nun genau richtig liege, es komme vielmehr auf die Frage an: Sind wir auf eine Apokalypse jedweder Art gut vorbereitet?
Mit den Bunkern des Kalten Kriegs haben die Hightech-Strukturen von Vivos nichts gemein. Hier wird es keine Feldbetten geben, keine flackernden Glühbirnen und auch keinen Staub, der von der Decke rieselt, wenn die Einschläge näher kommen. Das Gebäude ähnelt eher einer First-Class-Raumstation. Sechs Wohnmodule, die jeweils gut 30 Menschen Platz spenden, werden sternförmig um einen größeren Raum angeordnet sein, das «Atrium». Der Inhaber einer Wohneinheit kann am Tag nach der Apokalypse zur Not auch nackt am Bunker ankommen, in jedem Fall wird es genug Kleidung, Nahrung und Wasser geben. Im Vivos-Bunker soll man ein Jahr gut leben können und nicht dahinvegetieren, weshalb neben überlebenswichtigen Einrichtungen wie Arrestzelle und Krankenstation auch eine Bibliothek geplant ist, sowie Spa, Kino und ein Raum für Haustiere. Außerdem gibt es tiefgefrorenes Gourmet-Food und jede Menge Flatscreeens. Im Bunker muss man sich ja auch einmal freuen können, schon um Depressionen, suizidale Anwandlungen oder einen Lagerkoller zu vermeiden. Der Vivos-Bunker sieht aus wie ein Hotel aus Las Vegas oder ein Kreuzfahrtschiff. Eine All-inclusive-Arche auf dem Weg in den Sonnenuntergang der Geschichte.
In der Vivos-Anlage wird es demokratischer zugehen als im Ahrweiler Regierungsbunker. Zuflucht finden nicht nur Politiker, Manager oder andere Menschen mit besonders wertvollem Genmaterial, sondern jeder Kunde, der bereit ist, 50 000 Dollar für einen Platz in der stationären Rettungskapsel unter der Wüste zu bezahlen (Kinder kosten die Hälfte). Die Bunkerbewohner sollen eine demokratische Gesellschaft bilden, sagen die Macher von Vivos; bei der Auswahl der Kunden wird darauf geachtet, dass sie keine Vorstrafen oder Drogenprobleme haben. Ein Mix aus der Gesellschaft soll versammelt werden. Ex-Marines, Krankenschwestern, Zahnärzte, Ingenieure. Es ist ein Casting für eine neue Gesellschaft. Wer bei der finalen Show dabei sein will, muss für das Überleben der Art auch nützlich sein.
Über Tobias Moorstedt / Jakob Schrenk
Tobias Moorstedt, Jahrgang 1977, arbeitet als freier Journalist, u. a. für die «Süddeutsche Zeitung», «spiegel.de», die «taz» und ARD. Bei Suhrkamp erschien sein Buch «Jeffersons Erben. Wie die digitalen Medien die Politik verändern» (2008).
Jakob Schrenk, Jahrgang 1977, ist Redakteur bei «NEON». 2007 erschien bei DuMont sein Buch «Die Kunst der Selbstausbeutung».
Im Rowohlt Taschenbuch Verlag haben sie 2009 gemeinsam «Das Jetzikon» veröffentlicht.
Über dieses Buch
Erdbeben, H1N1-Virus, Piraten, die Kriminalitätsrate in Kapstadt, die Kampfhundplage in Hoyerswerda – der Mensch im 21. Jahrhundert schwebt offenbar ständig in Lebensgefahr. Doch nicht jede Katastrophe, vor der uns die Medien aufgeregt warnen, sollte man auch zu 100 Prozent ernst nehmen. Eine gesunde Portion Skepsis und Ironie könne nicht schaden, meinen Tobias Moorstedt und Jakob Schrenk und raten: Im Notfall Buch aufschlagen. Denn dort ist nicht nur zu lesen, wie man einen potenziellen Selbstmordattentäter erkennt, sondern auch, wie unbegründet unsere Angst vor ebendiesen Terroristen doch ist.
Impressum
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juli 2011
Copyright © 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt,
Weitere Kostenlose Bücher