Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)
mit ihren flauschigen Kleinstlebewesen und Erregern vielleicht viel bedrohlicher als «die Chemie» ( → Lebensmittelvergiftung, S. 72)? Die ziemlich öde Feld-Wald-und-Wiesen-Grippe sorgt in Deutschland für 10 000 Tote pro Jahr, trotzdem hat das H1N1-Virus mit maximal 300 Opfern ein Schlagzeilen-Abonnement ( → Viren, S. 58). Und wer weiß schon, dass der gefährlichste Teil einer Flugreise die Autofahrt zum Airport ist ( → Fliegen, S. 20)?
Es ist noch gar nicht so lange her, da glaubte der Mensch, dass die großen Entscheidungen über Leben, Tod, Ausstattung der Vorratskammer und Höhe des Kontostands allein in der Hand Gottes lagen. Das war naiv, aber auch ganz bequem. Wenn die Blockhütte an einem verregneten Herbsttag mal wieder von einem manisch-depressiven Fluss mitgerissen wurde, war das eben Schicksal, nicht zu ändern und niemand musste sich deshalb Vorwürfe machen ( → Sintflut, S. 28). So einfach haben wir es heute nicht mehr. Ein Mensch, der einen Hai-Angriff knapp überlebt hat, wird sich gleich nach der rettenden OP die Frage gefallen lassen müssen, wieso er die Warnungen der Rettungsschwimmer nicht beachtet hat – und warum es ihm eigentlich nicht gelungen ist, das ziemlich wehleidige Tier durch ein paar gezielte Hiebe aufs Auge zu vertreiben ( → Hai, S. 150).
Menschen versuchen sich mit Alarmanlagen, Schutzimpfungen und Versicherungen vor den Gefahren der Gegenwart zu schützen. Aber egal, wie viel Geld oder Energie man in die Risikovorsorge investiert, es gibt immer etwas, an das man nicht gedacht hat, etwas, das schiefläuft. Auch ein Leser, der alle Tipps in diesem Buch auswendig gelernt hat, wird nicht ewig leben. Und nicht jedes Problem lässt sich mit den fünf Spiegelstrichen einer Powerpoint-Präsentation lösen.
Der moderne Individualist versteht sich als Drehbuchschreiber seines eigenen Lebens, will jede Entscheidung selbst treffen, hält schon den Tag-Nacht-Wechsel für eine krasse Zumutung (weil er ihn nicht beeinflussen kann) und erträgt nur schwer die Vorstellung, dass ein PKW-Unfall oder Meteoriteneinschlag sein ganz persönliches Biopic sehr plötzlich beenden kann. Wir wollen nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft kontrollieren, aber der gefällt es nun einmal, uns zu überraschen. Niemand, der sich in den fünfziger Jahren einen Kühlschrank kaufte oder sich wenig später die Haare mit Spray zu einer Elvis-Tolle auftoupierte, ahnte, dass er mit dieser Entscheidung die Ozonschicht unserer Atmosphäre zerstörte. Das Waldsterben, vor dem sich in den achtziger Jahren jeder vernünftige Mensch fürchtete, ist dagegen ausgeblieben.
Es ist eben kompliziert. Manchmal entsteht aus der präventiven Maßnahme zur Gefahrenvermeidung sogar eine neue Gefahr. Weil nach dem 11. September in Amerika niemand mehr in ein Flugzeug steigen wollte und alle Auto fuhren, stieg die Anzahl der Verkehrsunfälle drastisch an ( → Sicherheitswahn, S. 40).
Dieses Buch ist für Abenteurer und Angsthasen gedacht, für Heimwerker und Hausmenschen, harte Kerle und Menschen mit weichen Knien. Es ist ein Sicherheitshinweis für das Leben in der Risikogesellschaft. Wir zeigen, wie man einen Panic Room im Eigenheim installiert ( → Einbrecher, S. 15) und eine Begegnung mit einem Hund heil übersteht ( → Kampfhunde, S. 234), warnen aber trotzdem davor, einen Schutzschild aus Dienstleistungen, Vorkehrungen und Notfallplänen zu basteln. Wer sich in Schaumstoff einwickelt, verliert den Kontakt zum Leben.
Nicht das Wissen über Gefahren schafft Kontrolle, sondern die Fähigkeit, die Informationen in einen Kontext stellen, einordnen und bewerten zu können. Nicht jede Gefahr, vor der uns Frau Mama, die Bild -Zeitung (oder dieses Buch) aufgeregt warnen, sollte man auch zu 100 Prozent ernst nehmen. Skepsis und Ironie können nicht schaden. Und manchmal ist ein Schulterzucken schon die beste Prävention. (Nehmen Sie dafür eine lockere, entspannte Haltung ein, die Beine stehen hüftbreit auseinander. Halten Sie die Ellbogen eng am Körper und heben Sie jetzt beide Schultern so hoch es geht an. Führen Sie dabei Unterarm und Hände seitlich vom Körper weg. Die Handinnenflächen zeigen nach oben.)
Auf den folgenden Seiten werden Sie unter anderem die besten Selbstverteidigungstricks der Welt erlernen und erfahren, was Sie gegen einen Roboterangriff tun können. Unser bester Ratschlag aber heißt: Keine Panik!
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01. Einbrecher MY HOME IS MY CASTLE
Schutz vor ungebetenen
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