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Im Rausch der Ballnacht

Im Rausch der Ballnacht

Titel: Im Rausch der Ballnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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Stattdessen schien Mama nun sehr beliebt zu sein und verbrachte selten einen Abend allein in Raven Hall. Aus irgendeinem Grund lud die Countess sie weiterhin zu sich ein, wann immer sie auf Adare weilte. Papas Briefe klangen freundlich, und Lizzie hoffte, dass die ganze Angelegenheit in Vergessenheit geraten war.
    Auch mit Anna wechselte sie Briefe. Annas Briefe klangen immer gleich. Sie schrieb heiter von den Einzelheiten ihres gesellschaftlichen Lebens in Derbyshire und ihrer Ehe. Natürlich bezog sie sich niemals auf die Vergangenheit. Das hätte Lizzie auch nicht gewollt. Sie war froh, dass Anna glücklich und verliebt war, im Frühling erwartete sie sogar ein Kind. Aber noch immer fiel es Lizzie schwer, ihre Briefe zu beantworten.
    Denn worüber sollte sie schreiben? Brieflich konnte sie die Einzelheiten ihres Lebens nicht mit der Schwester teilen. Zuweilen fragte Lizzie sich, ob Anna wohl von ihrer Affäre mit Tyrell gehört hatte. Natürlich spielte das jetzt, da alles vorüber war, keine Rolle mehr. Also schrieb sie über die vergnüglichen Stunden, die sie mit Spaziergängen im Park von Glen Barry verbracht hatte, und über die hektische Zeit des Umzugs in die Stadt. Sie berichtete Anna davon, wie begeistert Georgie vom Leben in der Stadt war, und fügte ein paar Anekdoten an, die ihre Schwester vielleicht unterhielten.
    Aber Anna hatte zwischen den Zeilen lesen können, und ihr letzter Brief war entschieden zu persönlich gewesen, um Lizzie gleichgültig zu lassen.
    “Aber was ist mit dir, Lizzie? Nie schreibst du etwas über dich selbst. Ich wünsche mir, dass du glücklich bist, und mache mir beständig Sorgen deinetwegen. Bitte sag mir, dass es dir in der Stadt ebenso gut gefällt wie Georgie.” Anna hatte ihr für den nächsten Sommer eine Einladung nach Derbyshire geschickt, damit Lizzie nicht nach Raven Hall oder Glen Barry zurückkehrte. “Ich denke, es wird dir hier sehr gut gefallen, denn es ist der schönste Platz in England. Und du wirst dich auch nicht langweilen, denn wir haben viele Gäste, und unter Thomas’ Freunden gibt es eine ganze Reihe sehr gut aussehender Junggesellen. Sag doch bitte, dass du kommst, Lizzie, denn ich vermisse dich so sehr!”
    Lizzie hatte noch nicht darauf geantwortet. Irgendwann in der Zukunft würde sie Anna bestimmt gern besuchen, aber noch waren ihre Wunden zu frisch, um einen solchen Besuch in Erwägung zu ziehen, vor allem da Anna zu glauben schien, sie könnte Lizzie mit einem von Thomas’ Freunden bekannt machen. Bei ihrem Ruf stand fest, dass sie niemals mehr heiraten würde – worüber sie sehr erleichtert war. Selbst wenn für sie eine Eheschließung noch infrage gekommen wäre, so hätte sie doch niemals aufgehört, Tyrell zu lieben. Für sie würde es niemals einen anderen geben.
    Eleanor betrat den Salon, und Lizzie war froh, von ihren trüben Gedanken abgelenkt zu werden. “Was meinst du? Gefällt dir unser Festtagsschmuck? Allerdings muss ich zugeben, dass das meiste davon das Werk von Georgies geschickten Händen ist.”
    Eleanor lächelte. “Der Salon sieht sehr festlich aus.” Wie immer war sie ausgesprochen elegant gekleidet, ganz in Schwarz und mit mehr Diamanten als eine Duchess. Niemals würde Lizzie vergessen, wie Eleanor sie mit offenen Armen empfangen hatte, als sie sie am meisten brauchte, ohne alle Vorbehalte.
    “Eure Eltern sind eingetroffen. Ich sah die Kutsche vorfahren.” Sie lächelte die beiden jungen Frauen an und wandte sich dann an Lizzie. “Hast du den Rum-Rosinen-Kuchen gebacken, den ich in der Küche sah?”
    Lizzie nickte. “Gestern Abend”, gestand sie. “Es ist Papas Lieblingskuchen.”
    Eleanor strich ihr über die Wange. “Und wann genau war das? Um Mitternacht? Zwei Uhr früh? Drei Uhr?”
    Lizzie wandte sich ab. Sie hatte begonnen, die Nächte zu hassen. In jenen finsteren Stunden drangen die Einsamkeit auf sie ein, ihre Erinnerungen und ihre Liebe zu Tyrell und ihrem Kind. Wenn sie es wagte einzuschlafen, so träumte sie lebhaft von wundervollen Dingen. Manchmal liebte er sie in diesen Träumen, manchmal lachte er mit ihr, hielt sie in den Armen oder neckte sie. Oft war Ned bei ihnen, und sie waren eine richtige Familie. Das Erwachen nach solchen Träumen war entsetzlich. Der Augenblick, in dem sie erkannte, dass sie allein und ohne Liebe in London war, traf sie jedes Mal wie ein Messerstich ins Herz.
    “Du bist zu dünn”, schimpfte Eleanor, “und von diesem nächtlichen Herumwandern in den Gängen

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