Im Rausch der Ballnacht
das ist egal. Anna liebt Thomas. Für das Baby werden wir ein gutes Zuhause finden.”
“Da bin ich leider anderer Meinung – vorausgesetzt natürlich, aber davon gehe ich aus, dass der Vater von Adel ist.” Eleanor schob Annas Kinn hoch. “Oder hast du bei einem Farmer gelegen?”
Tränen strömten Anna über die Wangen, während sie den Kopf schüttelte.
“Anna liebt Thomas!”, rief Lizzie verzweifelt. “Der Vater muss es nicht erfahren. Je weniger davon wissen, desto besser – es muss vollkommenes Schweigen bewahrt werden …”
“Der Vater sollte davon erfahren”, sagte Eleanor entschieden. “Vielleicht will er das Kind annehmen. Gott weiß, er wäre nicht der erste Adlige, der neben seinen legitimen Nachfahren einen Bastard aufzieht.”
Anna schüttelte den Kopf. “Nein, er darf es nicht wissen!”
“Anna würde ruiniert sein!”, rief Lizzie. “Das muss dir doch klar sein! Sobald der Vater davon erfährt, wird die Wahrheit herauskommen – es wird Tratsch geben, Gerüchte, man wird mit den Fingern auf sie zeigen, man wird flüstern und sie anklagen.”
Anna wischte sich das Gesicht ab. “Tante Eleanor, wir können es ihm nicht sagen, niemals! Ich liebe Thomas. Du willst doch bestimmt, dass ich im Herbst heirate? Bitte, besteh nicht darauf, dass wir dem Vater davon erzählen. Das würde alles ruinieren.”
Langsam drehte Eleanor sich wieder zu Anna um. Die hatte inzwischen beide Hände ihrer Tante genommen und hielt sie fest, den Blick flehentlich auf sie gerichtet. Lizzie betete um ein Wunder.
Langsam sagte Eleanor: “Ich will dein Leben nicht ruinieren, Anna. Wir alle machen Fehler. Unglücklicherweise ist der Preis, den wir dafür zahlen müssen, manchmal sehr hoch.”
Anna rief: “Aber ich habe schon dafür bezahlt!” Mit beiden Händen bedeckte sie ihren Bauch. “Ich habe doch schon genug gelitten!”
“Ich habe dich lieb gewonnen, Anna, trotz deiner schrecklichen Eitelkeit!”
Anna fuhr auf. Ihre Tränen versiegten, und ein Schimmer von Hoffnung lag in ihrem Blick.
“Hast du deine Lektion gelernt?”, fragte Eleanor ernst. “Oder wirst du bald genug haben von Thomas und dich weiterhin so schamlos verhalten?”
“Nie werde ich genug bekommen von Thomas, Tante Eleanor! Ich weiß, dass mein Verhalten falsch war. Ich schäme mich sehr, und ich kann es nicht erklären. Ach, ich habe das alles so satt! Ich wünschte, ich hätte diesen Mann nie getroffen. Ich wünschte, ich wäre nicht in diesem Zustand. Ich wünschte, ich wäre schon verheiratet und würde mit Thomas in Derbyshire leben.”
“Mit Wünschen wirst du nichts ungeschehen machen”, sagte Eleanor. “Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen um dich.”
Der Ton, in dem sie das sagte, gefiel Lizzie nicht. “Wenn du uns hilfst, können wir es schaffen, Tante Eleanor. Mit deiner Hilfe könnte Anna das Kind im Geheimen zur Welt bringen und dann fortgehen und Thomas heiraten. Für das Kind werden wir ein schönes Zuhause finden. Aber wir brauchen deine Hilfe!”
Eleanor sah sie an. “Du bist eine sehr loyale Schwester, Elizabeth – und sehr mutig.”
Im Augenblick hatte Lizzie keinen Sinn für Schmeicheleien. “Wirst du uns helfen? Du willst doch gewiss nicht Annas Heirat aufs Spiel setzen.”
“Ihr könnt bleiben”, sagte Eleanor. “Und ich werde euch auf jede mögliche Weise unterstützen. Aber nur unter einer Bedingung.”
“Alles, was du sagst!”, rief Lizzie, die kaum glauben konnte, dass ihr schreckliches Problem gelöst sein sollte.
Eleanor nahm Annas Hand. “Ich bestehe darauf, zu erfahren, wer der Vater ist. Das ist die Bedingung, wenn ihr hierbleiben wollt, bis das Kind geboren ist. Jedoch werde ich seine Identität niemandem gegenüber enthüllen, ebenso wenig, wie ich euer Geheimnis verraten werde.”
Anna sah Eleanor mit großen Augen an.
Lizzie begann zu protestieren.
Anna sah Lizzie an. Dann ließ sie den Kopf sinken, während ihre Wangen sich dunkelrot färbten. Sie sprach so leise, dass man die Worte kaum verstehen konnte.
Deswegen beugte Lizzie sich vor.
“Tyrell de Warenne”, sagte Anna.
6. KAPITEL
E in unglaublicher Entschluss
Lizzie war fest davon überzeugt, sich verhört zu haben.
“Anna?”
“Tyrell de Warenne ist der Vater?”, rief Eleanor ungläubig aus.
Anna hob den Kopf. Flehentlich sah sie Lizzie an. “Es tut mir so leid”, sagte sie und schlang die Arme um ihre Schultern.
Der Boden unter Lizzies Füßen schien sich zu drehen. Sie taumelte unter diesem Schlag,
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