Im Rausch der Ballnacht
weiter tun, als mein Bett zu wärmen.”
Ihre Gedanken eilten voraus, hin zu dem Tag, an dem er erkennen würde, dass Ned sein Sohn war. Wenn er ihrer schon überdrüssig war, wenn er wusste, dass sie nicht Neds Mutter war, dann würde er sie hinauswerfen, während Ned bei ihm auf Adare blieb.
Lizzie schüttelte den Kopf. “Ich kann es nicht tun.”
Fassungslos sah er sie an. “Was ist das für ein Spiel?”, wollte er wissen. “Zuerst fordern Sie mich an Allerheiligen heraus, locken mich an, und dann schicken Sie mir an Ihrer Stelle ein Flittchen! Den Grund dafür habe ich bis heute nicht verstanden. Und jetzt weisen Sie ein kleines Vermögen zurück, wenn es doch offensichtlich ist, dass Sie mich ebenso sehr begehren wie ich Sie!”
“Das ist kein Spiel”, begann Lizzie.
Doch er beugte sich zu ihr hinunter. “Seien Sie auf der Hut! Vielleicht ändere ich meine Meinung, und dann bleibt für Sie nichts. Gar nichts.”
Einen Moment lang glaubte Lizzie, er wollte damit drohen, ihr Ned wegzunehmen. Sie schüttelte den Kopf, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
“Eine Woche lang werde ich noch auf Adare sein, ehe ich nach Dublin zurückkehre. Ich würde unsere Vereinbarung gern vorher treffen. Ehrlich gesagt, erwarte ich, dass Sie mich in die Stadt begleiten”, sagte er kurz angebunden.
Jetzt war Lizzie sprachlos.
Dann verbeugte er sich. “Ich wünsche Ihnen einen guten Tag”, murmelte er und drehte sich um.
Lizzie sah ihm nach, während er davonging, bis in die Grundfesten ihrer Seele erschüttert. Wieder hatte ihr das Schicksal eine einmalige Gelegenheit geboten. Und jetzt musste sie sich entscheiden.
Nichts hätte sie lieber getan, als sein unerhörtes Angebot zu akzeptieren, aber sie konnte nicht riskieren, Ned zu verlieren. Also blieb ihr keine Wahl.
Sehr langsam ging Lizzie zurück zum Haus.
Am Schlafzimmerfenster im oberen Stockwerk bewegten sich plötzlich die Vorhänge. Eleanor hatte ihn ebenfalls davongehen sehen.
10. KAPITEL
E ine ausweglose Lage
Zum Mittagessen war die ganze Familie im Speisezimmer versammelt. Eleanor hatte sich erhoben, in der Hand ein Weinglas, gegen das sie jetzt mit einem Teelöffel schlug. Alle drehten sich zu ihr um. “Ich habe etwas zu sagen”, verkündete sie.
Lizzie hatte sich ganz in ihrem Kummer vergraben und konnte an nichts anderes denken als an Tyrell und seinen skandalösen Vorschlag. Sie hatte geglaubt, ihn gut zu kennen, aber nie war ihr klar gewesen, wie bestimmend er sein konnte. Und warum wollte er ausgerechnet sie zu seiner Geliebten machen? Warum wählte er dazu nicht eine Frau, die schön war, verführerisch und erfahren?
Benommen sah sie ihre Tante an. Sie ahnte nicht im Mindesten, worüber Eleanor sprechen wollte, aber vielleicht lenkte sie das von dem Lügengewebe ab, in dem sie sich verfangen hatte.
“Ich muss nach Merrion Sqare zurückkehren, um mich um meine Angelegenheiten zu Hause zu kümmern”, sagte Eleanor.
In diesem Augenblick erkannte Lizzie, wie sehr sie sich an ihre Tante gewöhnt hatte und wie sehr sie sich in den vergangenen anderthalb Jahren auf sie verlassen hatte. Sie war selbstsüchtig genug, um nicht zu wollen, dass Eleanor fortging. Aber ihre Tante hatte viel für sie und Ned geopfert, und es war an der Zeit, dass sie wieder an sich dachte.
Und dann sah Eleanor sie direkt an. “Es tut mir leid, Elizabeth, aber die Angelegenheit ist uns völlig aus den Händen geglitten”, erklärte sie mit ernster Miene.
Lizzie richtete sich kerzengerade auf. Was meinte Eleanor damit?
“Vielleicht wirst du mir eines Tages dankbar sein, vielleicht auch nicht. Aber ich muss das tun, was ich für Ned, für seinen Vater und, wie ich hoffe, auch für dich für das Beste halte.” Es war, als spräche sie allein zu Lizzie.
Zitternd sprang Lizzie auf. “Eleanor, nein, bitte tu es nicht!”
“Es tut mir leid, mein Kind. Aber ich muss jetzt auf mein Gewissen hören.” Sie wandte sich an Mama und Papa. “Tyrell de Warenne ist Neds Vater”, sagte sie.
Mama schrie auf, und Papa erbleichte.
“Wie kannst du mir das antun?”, fragte Lizzie, außer sich vor Entsetzen. “Du hast es mir versprochen!”
Eleanor wirkte sehr traurig. “Ich habe versprochen, Tyrell nichts davon zu sagen, dass er der Vater ist, und das habe ich auch nicht getan. Du wusstest, dass irgendwann die Wahrheit ans Licht kommen würde.”
“Ach, wie du dich jetzt herausredest aus deinem Versprechen! Und … nein, ich habe das nicht gewusst. Diesen Verrat
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