Eine Minute der Menschheit.
Stanislaw Lem, geboren am 12.. 9. 1921 in Lwow, lebt heute in Krakow. Er studierte Medizin und war nach dem Staatsexamen als Assistent für Probleme der angewandten Psychologie tätig. Privat beschäftigte er sich mit Problemen der Kybernetik, der Mathematik und übersetzte wissenschaftliche Publikationen. 1985 wurde Lem mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet und 1987 mit dem Literaturpreis der Alfred Jurzykowski Foundation. Wichtige Veröffentlichungen:
Solaris (1972.),
Die vollkommene Leere (1973),
Sterntagebücher (1973),
Robotermärchen (1973),
Das Hohe Schloß (1974),
Summa techno logiae (1976),
Imaginäre Größe (1976),
Der Schnupfen (1977),
Phantastik und Futurologie I und II
(1977/78),
Die Stimme des Herrn (1981),
Provokation (1981),
Kyberiade (1983).
Das sogenannte Lemsche Gesetz lautet: Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort. Als Abhilfe in dieser fatalen Lage bietet sich eine Art Buch der Rekorde an, das festhält, was die Menschen in jeder Minute tun, was man weitgehend auch so ausdrücken kann: was sie anderen antun und was ihnen von anderen angetan wird, ein Buch nüchterner Zahlen, das durch die kalte Bewältigung des Faktischen mit den Mitteln der Statistik phantastisch wirkt, eine gewaltige Lawine von Zahlen und Ziffern, eine extreme Zusammenfassung der Menschheit, ein ungeschminktes Minutenbild, das ein Kuriositätenkabinett erstaunlicher anthropologischer Daten enthüllt, nicht zuletzt des Todes, der Krankheit, der Mißbildung, des Unglücks, des Verbrechens. Macht es also aus der Menschheit ein Monstrum, einen Fleischberg, errichtet aus Leibern, Blut und Schweiß? Ist es eine boshafte Schmähschrift oder die lautere Wahrheit? Eine Karikatur oder ein Spiegel?
Stanislaw Lem
Eine Minute der Menschheit
Eine Momentaufnahme
Aus Lems Bibliothek des 21. Jahrhunderts
Phantastische Bibliothek
Band 110
Suhrkamp
Redaktion und Beratung: Franz Rottensteiner
Titel des Originals: One Human Minute
Aus dem Polnischen von Edda Werfel
Umschlagzeichnung Helmut Wenske
epub-Konvertierung by Manni
hosted by www.boox.to
suhrkamp taschenbuch 955
Erste Auflage 1983
©1983 by Stanislaw Lern
©der deutschen Übersetzung Suhrkamp Verlag
Frankfurt am Main 1983
Suhrkamp Taschenbuch Verlag
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das
des öffentlichen Vertrags, der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen
sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile.
Satz: LibroSatz, Kriftel/Taunus
Druck: Ebner Ulm • Printed in Germany
Umschlag nach Entwürfen von
Willy Fleckhaus und Rolf Staudt
3 4 5 6 7 8 - 95 94 93 92 91 90
Eine Minute der Menschheit
ONE HUMAN MINUTE
J. JOHNSON AND S. JOHNSON
Moon Publishers London - Mare Imbrium - New York, 1985
I
In diesem Buch wird beschrieben, was die gesamte Menschheit innerhalb jeder Minute tut. Das lesen wir in der Einleitung. Erstaunlich, daß niemand früher auf diese Idee gekommen ist. Sie drängte sich doch geradezu von selbst auf, nach den »Ersten drei Minuten« des Weltalls, nach der »Sekunde des Kosmologen« und nach Guinness' Buch der Rekorde — um so mehr, als alle diese Bücher Bestseller waren und heutzutage sowohl Verleger als auch Autoren nichts mehr reizt als ein Buch, das niemand lesen muß, aber jeder haben sollte. Nach jenen Büchern war das Konzept schon fix und fertig, es lag direkt auf der Straße, man brauchte es nur aufzuheben. Ich möchte gern wissen, ob es sich bei J. Johnson und S. Johnson um ein Ehepaar handelt, um Brüder oder bloß um ein Pseudonym. Auch würde ich gern ein Foto dieser Johnsons sehen. Es kommt vor, auch wenn es schwer zu erklären ist, daß das Aussehen des Autors den Schlüssel zum Buch bildet. Ich zumindest habe mehr als einmal diese Erfahrung gemacht. Die Lektüre verlangt eine bestimmte Einstellung zum Text, wenn dieser unkonventionell ist. Das Gesicht des Autors kann da viel zur Aufhellung beitragen. Ich glaube aber, daß es diese beiden Johnsons gar nicht gibt und daß das »S« vor dem Namen des zweiten eine Anspielung auf Samuel Johnson ist. Vielleicht ist das übrigens gar nicht so wichtig.
Bekanntlich jagt den Verlegern nichts eine solche Angst ein wie das Herausgeben von Büchern, denn hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort)
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