Im Reich der Feuergöttin
Beschreibungen dieser Monstrositäten verblaßten gegenüber dem, was nun mit fürchterlicher Heftigkeit angriff.
Es war kein Fisch und kein Krake. Es hatte von allem, was Solanga in ihrem jungen Leben an Abscheulichem geschaut hatte, etwas - den Leib eines Fisches, gut hundert Fuß lang, die tödlichen, messerscharfen Flossen der Bauchaufschneider, die langen, peitschenden Fangarme der Riesenkraken und ein gewaltiges glühendes Auge zwischen Reihen mannslanger Stacheln, die wie Speere aus seiner porösen grauen Haut stachen.
„Haltet euch an den Leinen fest!“ schrie Solanga den Jägerinnen zu. „Und ihr anderen rudert!“
Kein einziger der zwei Dutzend Männer gab einen Laut des Widerspruchs von sich. Sie hatten zu gehorchen und zu arbeiten. Ihr Leben zählte nicht viel in der Dämmerzone.
Der Sturm zerrte an Solangas Kleidung, ließ ihr langes Haar wild flattern. Sie nahm es kaum wahr, fühlte nur die Lanze in ihrer Rechten, während sie mit der Linken das Halteseil fest umklammert hielt. Neben ihr duckten sich ihre Gefährtinnen, Harpunen und Wurfmesser in den Händen.
Solanga zwang sich zum Warten, bis die Fangarme sich auf das Doppelboot zuschnellten. Sie ging blitzschnell in die Hocke, glich die Schlingerbewegungen der Plattform mit dem Gewicht ihres Körpers aus und schrie in das Toben des Sturmes hinein: „Jetzt!“
Die Jägerinnen verschleuderten ihre Wurfmesser. Eine Klinge nach der anderen bohrte sich tief in das leuchtende Riesenauge, das sich immer näher heranschob. Zwei Fangarme schmetterten auf die Plattform herab und wischten gleich drei Jägerinnen auf einmal vom Boot. Solanga hörte nicht auf die Schreie. Sie wußte, daß sie nur eine einzige Chance hatte. Instinkt leitete sie und bestimmte ihr Tun, wie auf so vielen Jagden vorher. Sie kniete sprungbereit, wartete, bis die Fangarme sich um die beiden Rümpfe und die Plattform gelegt hatten und das ganze Doppelboot jäh in die Höhe rissen, und legte die ganze Kraft ihrer muskulösen Beine in den Satz, der sie über zwanzig Fuß hinweg direkt über das furchtbare Auge brachte. Im Springen ließ sie das Halteseil los, wand sich und bekam einen der tödlichen Stachel zu fassen. Sie klammerte sich daran fest, sah das Boot von den Tentakeln in die Höhe gehoben und wieder aufs Wasser geschmettert werden. Zwei Gefährtinnen klammerten sich noch verzweifelt an ihre Halteseile. Von den dreien, die über Bord gegangen waren, strampelte eine in der Luft, als das Boot gehoben wurde, und verschwand im viele Fuß in die Höhe spritzenden Wasser. Die Männer verließen jetzt ihre Plätze an den Rudern und liefen hilflos auf der Plattform umher, bis ein Fangarm des Dämonenfischs erneut vorschnellte und die Bretter und Stämme mit fürchterlicher Wut durchschlug. Solanga drohte das Herz stehenzubleiben. Für Augenblicke war sie vor Angst gelähmt. Dann, als sie das Doppelboot auseinanderbrechen und Gefährtinnen wie Männer in den Fluten um ihr Leben kämpfen sah, gewann unbändiger Zorn die Oberhand. Sie lebte noch, und solange ihr Herz noch schlug, würde sie kämpfen. Die Kette mit allen möglichen Fetischen und magischen Bannern um ihren Hals schützte sie vor dämonischen Einflüssen. Solanga fand mit ihren Füßen Halt auf zwei weiteren Stacheln, gleich über dem glühenden Auge des Monstrums. Sie erstarrte nochmals, als ein Fangarm auf sie zufuhr. Doch der peitschende Tod erreichte sie nicht. Die Jägerin preßte sich fest mit dem Rücken gegen die nasse, rauhe Haut des Dämonenfischs, zwischen den Stacheln, die dem Tentakel entgegenragten wie die in den Boden einer Fallgrube gerammten Speere. Sie rissen die Haut des Fangarms an drei, vier Stellen auf, und Solanga glaubte, das Zittern zu spüren, das das Ungeheuer durchlief. Im nächsten Moment übertönte ein schrilles Kreischen den Donner des nun mit aller Heftigkeit einsetzenden Gewittersturms. Regen klatschte gegen die Haut der Jägerin. Sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren, stemmte sich mit den Füßen gegen die Stachel, packte die Lanze mit beiden Händen und stieß sie, indem sie sich halb zur Seite drehte, mit aller Kraft in die Haut des Ungetüms.
Der Dämonenfisch schien es nicht einmal zu bemerken. Solanga zog die Lanze heraus, klammerte sich wieder an den Stacheln fest und überlegte verzweifelt, an welcher Stelle des gewaltigen Körpers ein solches Ungeheuer überhaupt verwundbar war. Dabei dachte sie daran, daß es noch nie gelungen war, ein solches Meeresungetüm zu
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