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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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an der gegenüberliegenden Wand erregte seine Aufmerksamkeit. Dort war eine Nische. Er platschte durch das fließende Wasser und sah ein Skelett, das von rostigen Ketten an der Wand gehalten wurde. Die Sehnen und Bänder waren noch nicht verwest; das Skelett war vollständig, bis auf das linke Bein, das vom Knie ab fehlte. Irgend etwas bewegte sich im Brustkorb, und Waylander sah, daß zwei Ratten sich dort ein Nest gebaut hat-
    »Willkommen«, sagte eine Stimme. Waylander wich entsetzt einen Schritt zurück. Der Kopf war kein Schädel mehr, sondern ein gutaussehendes Gesicht, umrahmt von goldenem Haar. Es lächelte ihn an. Waylanders Herz klopfte wild, und er tastete nach seiner Armbrust. Erst jetzt merkte er, daß er ohne Waffen war. »Willkommen in meinem Heim«, sagte der Kopf.
    »Ich träume!«
    »Vielleicht«, gab der Kopf zu. Eine Ratte kletterte durch die Rippen und sprang auf einen Felsvorsprung in der Nähe.
    »Wo bin ich hier?« fragte Waylander.
    Der Kopf lachte; der Klang hallte durch den Tunnel. »Na, wollen wir mal überlegen ... Sieht es aus wie das Paradies?«
    »Nein.«
    »Dann muß es woanders sein. Aber man darf sich nicht beklagen, oder? Es ist schön, nach so langer Zeit Besuch zu haben. Die Ratten leisten mir natürlich auch Gesellschaft, aber eine Unterhaltung mit ihnen ist ziemlich eingeschränkt.«
    » Wie komme ich hier raus?«
    Der Kopf lächelte, und Waylander sah, wie sich die hellen Augen triumphierend weiteten. Waylander wirbelte herum. Ein Schwert stieß auf seine Kehle zu. Er wich aus und rammte seine Faust in ein Gesicht aus einem Alptraum. Sein Angreifer fiel rücklings ins Wasser, erhob sich aber rasch wieder. Er hatte menschenähnliche Gestalt, abgesehen davon, daß seine Haut geschuppt war und die riesigen Augen wie bei einem Fisch an den Seiten des Kopfes saßen. Er hatte keine Nase, lediglich Schlitze; das Maul war geformt wie ein umgekehrtes V, lippenlos und von Fangzähnen gesäumt.
    Das Wesen machte einen Satz nach vorn. Waylander packte eine der Rippen des Skeletts und riß sie mit einem Ruck los. Das Schwert sauste nieder. Waylander warf sich zur Seite und rammte die abgebrochene Rippe in die Brust des Wesens. Es ließ das Schwert fallen und stieß ein entsetzliches Heulen aus. Und verschwand.
    Waylander packte das Schwert und wirbelte zu dem Skelett herum. Der schöne Kopfivar nicht mehr zu sehen. Der Totenschädel sackte nach hingen und fiel in das trübe Wasser.
    Mit dem Schwert in der Hand ging Waylander weiter, alle Sinne aufs höchste angespannt.
    Der Tunnel weitete sich, und er sah einen steinernen Bogen und einen Weg, der zu einer Treppe führte. Auf der ersten Stufe saß ein alter Mann. Seine Kleider waren zerlumpt und mit Schimmel und Moderflecken übersät. In den Händen hielt er einen durchsichtigen Kristall, in dessen Innerem ein weißes Licht schimmerte.
    Waylander ging auf ihn zu.
    »Dies ist deine Seele«, sagte der alte Mann und hielt den Kristall hoch. »Wenn ich ihn fallen lasse oder zerbreche oder zermalme, kommst du niemals hier heraus. Du wirst für alle Ewigkeit durch diese Tunnel wandern. Geh den Weg zurück, den du gekommen bist.«
    »Ich möchte die Treppe hinaufgehen, alter Mann. Geh beiseite.«
    »Einen Schritt näher, und deine Seele stirbt!« warnte der alte Mann, den Kristall hoch erhoben. Waylander sprang vor. Sein Schwert zerschmetterte den Kristall, so daß die glitzernden Splitter ins Wasser fielen. Der alte Mann wich zurück. »Woher wußtest du ...?« jammerte er.
    »Meine Seele gehört mir«, antwortete Waylander. Der alte Mann verschwand.
    Und die Stufen lockten.
    Waylander ging vorsichtig weiter. Die Wände des Treppenaufgangs schimmerten in einem matten Grün, und die Stufen glänzten wie geölt. Er holte tief Luft, dann wagte er sich auf die erste Stufe. Dann die zweite. Arme schössen aus den Wänden, gekrümmte Finger und Klauen griffen nach ihm. Das Schwert sauste herab und hieb auf eine geschuppte Hand ein. Finger packten seine Ledertunika. Er riß sich los und kämpfte sich die Treppe hoch. Seine Klinge hackte und hieb sich einen Weg durch die tastenden, sich windenden Glieder.
    Am oberen Ende der Treppe befand sich ein rechteckiger Absatz. Zwei Türen gingen davon ab. Eine war in Gold gefaßt und stand halb offen, die andere wurde von einer riesigen dreiköpfigen Schlange bewacht, deren Windungeri sich um den ganzen Rahmen schlängelten. Die halboffene Tür ließ einen Strahl Sonnenlicht sehen, warm und willkommenheißend,

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