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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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verständnislosen Gothir entgegen.
    »Was rufen sie?« fragte Angel.
    »Es ist die letzte Strophe des Kriegsgesangs der Wölfe«, erklärte Senta. »Ich kann es nicht so übersetzen, daß es sich reimt, aber es heißt:
    Nadir sind wir, der Jugend geboren, Axtschwinger, doch Sieger.«
    »Man sieht aber nicht gerade viele Äxte bei ihnen«, bemerkte Angel.
    »Immer der Dichter«, meinte Senta lachend. »Jetzt geh und laß dir die Hände verbinden. Du tropfst alles voll Blut.«

18.

    Die Last der Jahre und das Nachlassen seiner Kräfte war eine Quelle ausgesprochenen Ärgers für Kesa Khan. Als junger Mann - auf der Höhe seiner körperlichen Leistungsfähigkeit - hatte er versucht, die geheimen Künste zu meistern, Dämonen zu rufen, die Pfade des Nebels zu erwandern, die Vergangenheit zu erkunden, die Zukunft zu erforschen. Aber als er noch jung war und stark, waren seine Fähigkeiten noch nicht bis zu der Vollkommenheit geschliffen, die für solche Missionen des Geistes notwendig waren. Jetzt, da sein Geist vor Macht brannte, war sein gealterter Körper bei der Erfüllung seiner Wünsche keine Unterstützung mehr.
    Und während er noch über die Ungerechtigkeit des Lebens nachsann, mußte er über die Absurdität des Seins lachen.
    Er belegte sein Feuer, nicht im Kamin, sondern in einem uralten Becken, das er mitten auf den Steinboden in dem kleinen Zimmer hoch oben im Turm des Bergfrieds aufgestellt hatte. Seine kostbaren Tontöpfe hatte er darum herum aufgestellt, und aus einem nahm er jetzt eine Handvoll grünen Pulvers, das er in die tanzenden Flammen streute. Sofort formte sich ein Abbild von Waylander, wie er durch die großen Tore Gulgothirs schritt. Er war als Sathulihändler verkleidet und trug ein fließendes Gewand aus grauer Wolle und einen mit schwarzem Roßhaar zusammengebundenen Burnus. Sein Rücken war unter einer schweren Last gebeugt, und er schlurfte wie ein alter Mann, dem das Rheuma zu schaffen macht. Kesa Khan lächelte.
    »Zhu Chao wirst du nicht täuschen können, aber niemand sonst wird dich erkennen«, sagte er. Das Bild verschwand, noch ehe er den Satz beendet hatte. Kesa Khan fluchte leise und dachte an den Kristall, der auf dem goldenen Fußboden unter der Festung lag. Damit könntest du wieder jung sein, sagte er sich. Du könntest die Jahrhunderte überdauern und dem, der die Stämme eint, zur Seite stehen.
    »Pah«, sagte er laut, »wenn das der Fall wäre, hätte ich mich dann nicht selbst in einer der möglichen Zukünfte gesehen? Mach dir nichts vor, alter Mann. Der Tod steht vor der Tür. Du hast alles für dein Volk getan, was in deiner Macht stand. Du hast keinen Grund, etwas zu bedauern. Gar keinen.«
    »Das können nicht viele Menschen behaupten«, erklang Darda-lions Stimme.
    »Nicht viele haben auch so zielbewußt gelebt wie ich«, antwortete Kesa Khan. Er blickte zur Tür, in der der Abt stand. »Komm herein, Priester. Es zieht, und meine Knochen sind nicht mehr so jung, wie sie mal waren.«
    In dem Raum standen keine Möbel, und so setzte sich Dardalion mit verschränkten Beinen auf den Teppich. »Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen deiner Gesellschaft?« fragte der alte Schamane.
    »Du bist verschlagen, Kesa Khan, und mir fehlt deine Arglist. Aber mir fehlen keineswegs eigene Kräfte. Auch ich bin die Pfade des Nebels gewandelt, seit wir uns zuletzt unterhalten haben. Auch ich habe den, der die Stämme eint, gesehen, von dem du träumst.«
    Die Augen des Schamanen glitzerten vor Bosheit. »Du hast nur einen gesehen? Es gibt Hunderte.«
    »Nein«, widersprach Dardalion. »Es gibt Tausende. Ein riesiges Spinnennetz möglicher Zukünfte. Aber die meisten interessierten mich nicht. Ich folgte dem Pfad, der von Kar-Barzac ausgeht, und dem Kind, das hier empfangen wird. Ein Mädchen. Ein schönes Mädchen, das einen jungen Kriegsherrn heiraten wird. Ihr Sohn wird mächtig sein, ihr Enkel noch mächtiger.«
    Kesa Khan schauderte. »Du hast das alles an einem einzigen Tag gesehen? Ich habe fünfzig Jahre dafür gebraucht.«
    »Ich mußte auch fünfzig Jahre weniger reisen.«
    »Was hast du noch gesehen?«
    »Was willst du wissen?« entgegnete der Drenai.
    Kesa Khan biß sich auf die Lippe und sagte einen Moment lang nichts. »Ich weiß alles«, log er mit einem Achselzucken. »Es gibt nichts Neues mehr. Hast du Waylander aufgespürt?«
    »Ja. Er ist in Verkleidung nach Gulgothir gegangen. Zwei meiner Priester beobachten ihn, um alle Suchzauber abzulenken.«
    Kesa Khan

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