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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Miriel.
    Ein Hauch des Bedauerns überkam ihn. Sie war eine starke Frau, stolz und liebevoll.
    Es ist eine Schande, daß sie sterben muß, gestand er sich ein.
    Angel blickte auf die vollständig verheilte Haut seiner zerschunde-nen Handflächen hinunter; dann schaute er in das Gesicht des jungen Priesters. »Man sieht gar nichts«, sagte er. »Keinen Schorf, keine Narbe.«
    Der junge Mann lächelte erschöpft. »Ich habe nur deinen eigenen Heilungsprozeß beschleunigt. Ich habe auch eine kleine Geschwulst aus einer Lunge entfernt.«
    »Krebs?« flüsterte Angel angsterfüllt.
    »Ja, aber er ist weg.«
    »Er hat mir gar keine Schmerzen bereitet.«
    »Das wäre erst viel später gekommen.«
    »Dann hast du mir also das Leben gerettet? Bei allen Göttern, Priester, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich heiße Angel.« Er streckte seine frisch geheilte Hand aus.
    Der Priester nahm sie. »Ekodas. Wie steht es auf der Mauer?«
    »Wir halten den Feind hin. Er wird nicht noch einmal versuchen, die Mauer mit Leitern zu erstürmen. Das nächste Mal werden sie es beim Fallgitter versuchen.«
    Ekodas nickte. »Du hast recht. Aber es wird nicht vor morgen geschehen. Ruhe dich etwas aus, Angel. Du bist kein junger Mann mehr, und dein Körper ist sehr müde.« Der Priester warf einen Blick über Angels Schulter. »Der Junge gehört zu dir?« fragte er.
    Angel sah sich um. Das taube Kind stand dicht hinter ihm, Angels grünen Umhang um die Schultern geschlungen. »Ja. Dein großer Freund - Merlon? - schlug vor, dich zu bitten, ihn dir einmal anzusehen. Er ist taub.«
    »Ich bin sehr müde. Meine Kräfte sind nicht unerschöpflich.«
    »Dann ein andermal«, sagte Angel und stand auf.
    »Nein«, widersprach Ekodas. »Ich kann ihn wenigstens untersuchen.«
    Angel winkte den Jungen heran, aber er wich zurück, als der Priester die Hand nach ihm ausstreckte. Ekodas schloß die Augen. Sofort versank der Junge in Angels Armen in tiefen Schlaf. »Was hast du getan?«
    »Ihm geschieht kein Leid, Angel. Er wird lediglich schlafen, bis ich ihn wecke.« Ekodas legte seine Handflächen über die Ohren des Kindes und blieb reglos ein paar Minuten so stehen. Schließlich trat er zurück und setzte sich dem Gladiator gegenüber. »Er hatte eine schwere Infektion, als er noch sehr klein war. Sie wurde nicht behandelt und breitete sich in den Knochen um die Ohren herum aus. Das hat das Trommelfell zerstört, so daß es nicht mehr in der Lage ist, Schwingungen an das Gehirn weiterzuleiten. Verstehst du?«
    »Kein Wort«, gestand Angel. »Aber kannst du ihn heilen?«
    »Das habe ich bereits«, sagte Ekodas. »Aber du mußt eine Weile bei ihm bleiben. Er wird verängstigt sein. Jedes Geräusch ist neu für ihn.«
    Angel sah dem jungen Priester nach, als er durch die Halle davonging. Der Junge regte sich in seinen Armen. Er schlug die Augen auf.
    »Fühlst du dich besser?« fragte Angel. Der Junge versteifte sich, die Augen im Schock weit aufgerissen. Angel grinste und tippte sich ans Ohr. »Du kannst jetzt hören.« Eine Frau ging hinter ihnen vorbei. Das Kind fuhr herum und starrte ihre Füße an, die über den Steinboden tappten. Angel berührte den Jungen am Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erregen; dann begann er rhythmisch mit den Fingern auf den Tisch zu klopfen. Das Kind krabbelte von seinem Schoß und rannte aus dem Saal.
    »Was bist du doch für ein großartiger Lehrer«, murmelte Angel. Erschöpfung übermannte ihn, und er stand auf und durchquerte die Halle. Ein kleines, unbenutztes Zimmer ging von dem dahinter-liegenden Flur ab. Es war nicht möbliert, doch Angel legte sich auf den steinernen Fußboden und bettete den Kopf auf die Arme.
    Und er schlief traumlos.
    Miriel weckte ihn, und er setzte sich auf. Sie hatte ihm eine Schale dünner Brühe und ein Stück Brot gebracht. »Wie geht es deinen Händen?« fragte sie.
    »Sind geheilt«, antwortete er und drehte die Handflächen nach oben. »Von einem der Priester - Ekodas. Er hat eine seltene Gabe.«
    Sie nickte. »Ich habe ihn eben getroffen.« Er nahm die Suppe und begann zu essen. Miriel saß schweigend neben ihm. Sie schien in Gedanken versunken und zog ständig an einer Haarsträhne an ihrer Schläfe.
    »Was ist los?«
    »Nichts.«
    »Lügen paßt nicht zu dir, Miriel. Sind wir denn keine Freunde?«
    Sie nickte, sah ihm aber nicht in die Augen. »Ich schäme mich«, sagte sie so leise, daß ihre Stimme kaum zu hören war. »Hier sterben Menschen. Jeden Tag. Und trotzdem war ich nie

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