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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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rechts von ihnen. Senta lachte leise. »Da ist er wieder, Angel.«
    Der Gladiator fluchte und schaute sich um. Ein kleiner junge von vielleicht neun Jahren hockte auf den Fersen und beobachtete sie. »Verschwinde!« brüllte Angel, doch das Kind beachtete ihn nicht. »Ich hasse es, wie er uns einfach so anstarrt«, knurrte Angel. Der Junge war dünn, beinahe zum Skelett abgemagert, seine Kleider fadenscheinig. Er trug eine alte Ziegenfelltunika, die längst schon fast alle Haare verloren hatte, und ein Paar dunkler Beinkleider, die an den Knien zerrissen und an der Hüfte ausgefranst waren. Er hatte schrägstehende schwarze Augen, die die beiden Männer musterten, ohne zu blinzeln. Angel versuchte, den Jungen zu ignorieren. Er nahm die Schale mit Käse, tauchte die Finger in die klumpige Masse und aß. »Pferdeäpfel würden besser schmecken als das hier«, sagte
    »Sie haben sich wohl dran gewöhnt«, erwiderte Senta.
    »Bei den Göttern, das kann ich nicht essen!« Er wandte sich dem Jungen zu. »Willst du was?« Der Junge rührte sich nicht. Angel hielt ihm die Schale hin. Das Kind leckte sich die Lippen, blieb aber, wo es war. Angel schüttelte den Kopf. »Was will er denn?« fragte er und stellte die Schale wieder ab.
    »Ich habe keine Ahnung. Aber er ist offensichtlich fasziniert von dir. Er ist dir heute gefolgt und hat deinen Gang nachgeahmt. Wirklich lustig. Ich hatte es vorher noch gar nicht bemerkt, aber du gehst so schwankend wie ein Seemann.«
    »Habe ich noch andere Angewohnheiten, die du gern kritisieren möchtest?«
    »Zu viele, um sie aufzuzählen.«
    Angel stand auf und reckte sich. Sofort tat das Kind es ihm nach. »Laß das!« sagte Angel und beugte sich vor, die Hände in die Hüften gestemmt. Die winzige Gestalt nahm dieselbe Haltung an. Senta lachte laut auf. »Ich werde jetzt ein bißchen schlafen«, sagte Angel, wandte dem Kind den Rücken zu und trat wieder in die Höhle.
    Senta blieb an seinem Platz und lauschte auf die fernen Kampfgeräusche. Der Junge näherte sich vorsichtig, schnappte sich die Schale und zog sich in die Schatten zurück, um zu essen. Senta döste eine Weile; dann hörte er eine Bewegung auf dem Berghang. Sofort war er hellwach. Belash kletterte zur Höhle empor.
    »Sie haben sich zurückgezogen«, sagte er und kauerte sich neben dem Schwertkämpfer nieder. »Bis zum Morgengrauen kein Kampf mehr, denke ich.« Senta blickte zu der Stelle, wo der Junge gehockt hatte, aber da war nur noch die leere Schale. »Wir haben viele getötet«, sagte Belash mit finsterer Genugtuung.
    »Nicht genug. Es müssen mehr als dreitausend Mann sein.«
    »Mindestens«, stimmte Belash zu. »und es kommen noch mehr. Es wird lange dauern, sie alle zu töten.«
    »Immer Optimist, was?«
    »Du glaubst, wir können nicht siegen? Du verstehst die Nadir nicht. Wir sind geboren, um zu kämpfen.«
    »Ich bezweifle nicht die Fähigkeiten deines Volkes, Belash. Aber dieser Ort ist letzten Endes nicht zu verteidigen. Wie viele Kämpfer kannst du aufbringen?«
    »Heute morgen hatten wir... dreihundert... und... dreiundsiebzig«, antwortete er schließlich.
    »Und heute abend?«
    »Wir haben vielleicht fünfzehn verloren.«
    »Verwundete?«
    »Dreißig. Aber einige von ihnen können wieder kämpfen.«
    »Wie viele Verluste hatten wir insgesamt in den letzten vier Tagen?«
    Belash nickte mürrisch. »Ich verstehe, was du sagen willst. Wir können vielleicht noch acht bis zehn Tage aushalten. Aber bis dahin werden wir viele Feinde töten.«
    »Das ist wohl kaum der Punkt, mein Freund. Wir müssen eine
    zweite Verteidigungslinie aufbauen. Weiter in den Bergen vielleicht.«
    »Da ist nichts.«
    »Als wir hier herunterkamen, sah ich im Westen ein Tal. Wohin führt das?«
    »Dorthin können wir nicht gehen. Es ist ein Ort des Bösen und des Todes. Ich würde lieber ehrenvoll hier sterben.«
    »Eine edle Gesinnung, Belash. Aber ich möchte so bald lieber nirgends sterben.«
    »Du brauchst ja nicht zu bleiben«, erwiderte Belash.
    »Das ist wahr«, gab Senta zu, »aber, wie mein Vater so oft sagt, Dummheit liegt bei uns in der Familie.«
    Hoch oben über den Bergen, verbunden mit dem Geist Kesa Khans, schwebte Miriel unter den Sternen. Unter ihr, auf der mondbeschienenen Ebene, standen die Zelte der Gothir, die in Reihen zu zwanzig ordentlich und im rechten Winkel aufgeschlagen waren, jedes im gleichen Abstand zum anderen. Südlich davon waren etliche Pfahlreihen eingeschlagen worden, um die Pferde anzubinden, und

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