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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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dem Bösen aufzunehmen, das er auf uns losläßt.« In einem einzigen Augenblick verschwand alles Licht, und Miriel schlug die Augen ihres Körpers auf und setzte sich. Das Feuer in der Höhle war heruntergebrannt. Kesa Khan legte Holz auf die ersterbenden Flammen und streckte sich, daß die Knochen seines Rückens knirschten und knackten. »Ah, ja! Das Alter ist kein Segen!« sagte er.
    »Was ist das Böse, von dem du gesprochen hast?« fragte Miriel.
    »Gleich, gleich! Ich bin alt, mein Kind, und der Ubergang vom Geist ins Fleisch dauert eine Weile. Laß mich erst meine Gedanken sammeln. Erzähl mir was!«
    Sie betrachtete den verwitterten alten Mann. »Was denn?«
    »Irgendwas. Von deinem Leben, der Liebe, deinen Träumen. Erzähl mir, mit welchem der beiden Männer du ins Bett willst.«
    Miriel wurde rot. »Solche Gedanken sind nichts für müßige Plaudereien«, schalt sie.
    Er kicherte und musterte sie durchdringend. »Dummes Gör! Du kannst dich nicht entscheiden. Der junge Mann ist geistreich und sieht gut aus, aber du weißt, daß seine Liebe unbeständig ist. Der ältere ist wie eine Eiche, mächtig und ausdauernd, aber du fürchtest, seine Liebeskünste könnten nicht sehr aufregend sein.«
    »Wenn du meine Gedanken bereits kennst, warum fragst du dann?«
    »Es macht mir Spaß. Möchtest du meinen Rat?«
    »Nein.«
    »Gut. Ich mag es, wenn eine Frau selber denken kann.« Er schniefte und griff nach einem der vielen Tontöpfe neben dem Feuer, tauchte einen Finger hinein und stopfte sich ein hellgraues Pulver in den Mund. Er schloß die Augen und seufzte. »Ja ... ja ...« Er holte tief Luft und schlug die Augen auf. Miriel beugte sich vor. Seine Pupillen waren praktisch verschwunden, und die Iris hatte sich von dunkelbraun in hellbraun verwandelt. »Ich bin Kesa Khan«, flüsterte er mit einer helleren, freundlicheren Stimme. »Und ich bin Lao Shin, der Geist der Berge. Und ich bin Wu Deyang, der Reisende. Ich bin der, der alles sieht.«
    »Das Pulver ist ein Rauschmittel?« fragte Miriel leise.
    »Natürlich. Es öffnet das Fenster zu den Welten. Jetzt hör mir zu, Drenaimädchen. Du bist tapfer, das ist gar keine Frage. Aber morgen werden die Toten wieder unter uns wandeln. Hast du das Herz, dich ihnen zu stellen?«
    Sie leckte sich die Lippen. »Ich bin hier, um dir zu helfen«, antwortete sie.
    »Ausgezeichnet. Keine Aufschneiderei. Ich werde dir zeigen, wie du dich bewaffnen kannst. Ich werde dich lehren, Waffen herbeizurufen, wenn du sie brauchst. Aber die größte Waffe, die du besitzt, ist der Mut deines Herzens. Wir wollen hoffen, daß der Drachenschatten dich gut unterwiesen hat, denn wenn nicht, wirst du mit keinem der beiden guten Krieger ins Bett gehen. Dann wird deine Seele in alle Ewigkeit über die Grauen Pfade wandern.«
    »Er hat mich gut unterwiesen«, sagte Miriel.
    »Wir werden sehen.«
    Waylander wanderte über die steinübersäte Ebene, der Hund rannte voraus. Hier gab es nur wenige Bäume, und das Land fiel sanft zu einem Dorf mit weißen Häusern an einem Flußufer ab. Im Norden des Dorfes war eine Pferdeweide eingezäunt, im Süden fraßen Schafe das letzte Herbstgras ab. Es war eine kleine Siedlung, ohne
    Mauern erbaut, ein Zeichen für das langjährige Abkommen zwischen Gothir und Sathuli. Hier gab es keine Überfälle. Es kam Waylander seltsam vor, daß die Gothir die Sathuli so gut behandelten und die Nadir so schlecht. Beides waren Nomadenvölker, die langsam von Norden und Osten her hier eingewandert waren. Beides waren Kriegervölker, die andere Götter verehrten als die Gothir, und doch wurden sie ganz unterschiedlich betrachtet. Die Sathuli waren den Legenden der Gothir zufolge stolz, intelligent und ehrenwert. Die Nadir hingegen wurden als minderwertig, verräterisch und verschlagen betrachtet. Während seines ganzen Erwachsenenlebens hatte Waylander sich unter den Stämmen bewegt und nichts entdeckt, was die Ansicht der Gothir rechtfertigte.
    Außer vielleicht der schieren Anzahl der Nadir, die über die Steppe streiften. Die Sathuli stellten keine Bedrohung dar, während die Nadir, die nach Millionen zählten, ein potentieller Feind waren, den man fürchten mußte.
    Waylander wischte solche Überlegungen mit einem Achselzucken beiseite und hielt Ausschau nach dem Hund. Er war nirgends zu sehen. Hier gab es viele Felsen, und wahrscheinlich scharrte der Hund an einem Kaninchenbau. Waylander lächelte und wanderte weiter. Es war kalt; der schwache Sonnenschein vermochte

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