Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
und dem Bischof von Köln wichtig waren. Denn das war sein Fachgebiet – alte Verträge und Vereinbarungen, die zwar vergessen, aber bis zum jetzigen Tag gültig waren. Mit seinem guten Gespür hatte er schon ein paar wertvolle Dokumente finden können.
Der junge Mann hatte gerade ein kleines Dorf hinter sich gelassen und marschierte nun in der sengenden Hitze an den bewirtschafteten Äckern entlang. Jetzt kurz nach Mittag waren nur wenige Bauern draußen, die meisten hatten das Hacken und Jäten in den angenehmeren Stunden am Vormittag erledigt und beschäftigten sich nun mit Arbeiten in Haus oder Stall. Der Schweiß lief Nikolaus in Bächen den Rücken herab.
Langsam näherte er sich dem Wald. Kaum hatte er die ersten Bäume erreicht, empfing ihn eine angenehme Kühle. Erleichtert atmete er durch und marschierte forschen Schrittes weiter. Mit der Zeit neigte sich der Weg. Bis zum Tal der Lieser mit den zwei Burgen konnte es nicht mehr weit sein. Nieder- und Oberburg standen sich dort gegenüber. Erstere war zum Fürstentum Luxemburg zugehörig, die zweite dem Erzbischof von Trier unterstellt. Hier waren die Interessen der beiden Herrschergeschlechter schon öfter aufeinandergeprallt. Doch schließlich hatte man sich auf ein wohlwollendes Miteinander geeinigt. So konnte sich der zu Trier gehörende Ort Obermanderscheid auf der gegenüberliegenden Hochebene zu einer kleinen Stadt entwickeln. Diese Seite des Tales, wo Nikolaus gerade ging, war noch Luxemburger Gebiet; der kleine Fluss Lieser bildete die Grenze.
Unvermittelt blieb der junge Mann stehen. Zwischen all dem Gezwitscher und Geraschel der Vögel im Unterholz hatte er ein Geräusch gehört. Eines, das nicht in den Wald passte. Er konnte es nicht genau einordnen. War es ein Schnaufen, ein Husten oder ein unterdrückter Ruf? Eher eine Mischung aus allem. Einen Bären fand man kaum so nah an den Ortschaften, die trieben sich lieber in einsameren Gegenden herum. Und alle anderen Arten von Getier machten Nikolaus keine Angst. Seine Neugier war geweckt.
»Genug Zeit habe ich ja noch. Da kann ich mal nachschauen.«
Die Pergamente hatten nun schon Jahrzehnte gewartet, eine Stunde mehr oder weniger fiel da nicht ins Gewicht. Nikolaus ging nach rechts durch das Unterholz. Hinter einem Felsvorsprung öffnete sich eine kleine Lichtung. Mitten zwischen den Büschen graste friedlich ein schwarzes Pferd. Als es den Fremden bemerkte, hob es den Kopf, schnaufte einmal kurz und ließ sich dann wieder die frischen Kräuter schmecken. Daher war also das Geräusch gekommen.
Er näherte sich dem Pferd vorsichtig. Es war ein schönes Tier, kräftig und gut gepflegt; es trug Sattel und Zaumzeug. Der Reiter musste also noch in der Nähe sein. Aber Nikolaus wollte nicht den Eindruck erwecken, ein Pferdedieb zu sein, der die kurzzeitige Abwesenheit des Besitzers schamlos ausnutzte. Aufmerksam drehte er sich um die eigene Achse und suchte den Waldrand nach dem Reiter ab, konnte aber niemanden entdecken.
»Dann belassen wir es halt dabei. Lieber keinen Ärger einhandeln.«
Schon wollte er sich umdrehen, um wieder zum Weg zu gelangen, als er abermals etwas hörte. Diesmal war es aber nicht das Schnaufen oder Wiehern des Pferdes. Es klang eher nach dem Stöhnen eines Menschen.
Er eilte um das Pferd herum und entdeckte zwischen den wuchernden Hagebuttensträuchern einen jungen, kräftigen Mann von schätzungsweise knapp über zwanzig Jahren. Er lag lang ausgestreckt da, beinahe so, als ob er in der Sonne sein Mittagsschläfchen hielt – wenn da nicht die blutende Wunde an der Schläfe gewesen wäre.
Rasch kniete sich Nikolaus neben den Verwundeten und untersuchte ihn. Der junge Mann war zum Glück nur bewusstlos. Abgesehen von der Wunde an der Schläfe schien er keine weiteren Verletzungen zu haben. Außer einigen Tagen Kopfschmerzen sollte nicht viel zurückbleiben. Die Wunde schien noch frisch zu sein, Nikolaus´ Einschätzung nach mochte der Mann höchstens eine halbe Stunde hier gelegen haben. Wer hatte den Burschen niedergeschlagen? Räuber? Waren sie noch in der Nähe? Aber nach einem Überfall sah das hier nicht aus. Der Mann hatte seinen klimpernden Geldbeutel noch am Gürtel hängen, und am Finger steckte ein goldener Ring. Nach der wertvollen Kleidung zu urteilen, wäre er sicherlich ein lohnendes Ziel gewesen. Weshalb war er dann niedergeschlagen worden? Das Gras auf der Lichtung war niedergetrampelt, als ob hier eine Rangelei oder gar ein Kampf stattgefunden
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