Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
»Ehrenwerter Herr, auch wenn ich Eure Tochter bin, so glaube ich kaum, dass ich hier auf der Burg willkommen bin.« Nun wandte sie sich an alle in der Runde. »Andererseits werde ich in Niedermanderscheid noch weniger geliebt werden, sobald man weiß, wer meine Eltern sind.«
Sie machte eine Pause. »Ich möchte nicht wie meine Mutter enden, die von allem, was ihr lieb und teuer war, weggerissen wurde und sich in einer feindseligen Welt wiederfand. Ich will eigentlich nur mit Konrad zusammen sein.« Die beiden Liebenden tauschten einen zärtlichen Blick. »Aber das ist genauso unmöglich. Ich weiß nicht, was werden soll.«
Sie blickte zu Boden und begann wieder leise zu weinen. Alle Anwesenden schwiegen. Sie verstanden den Zwiespalt, in der sich die junge Frau befand. Wie konnte ihre Zukunft aussehen? Es war unlösbar wie der Gordische Knoten.
Nach einem Moment des Nachdenkens fragte der Kurfürst Seidel: »Bei der Wache in Koblenz wird noch ein Hauptmann benötigt. Hättet Ihr Interesse?«
Konrad hob verblüfft den Kopf. »Wie kommt Ihr darauf? Ich bin dem Herrn Dietrich verpflichtet.«
Otto von Ziegenhain wandte sich nun an den Burgherrn: »Verehrter Herr von Manderscheid. Ich habe da einen Vorschlag. Wenn Ihr die beiden jungen Leute freigeben und Ihr Eure Tochter mit einer angemessenen Mitgift ausstatten würdet, könnten sie in Koblenz heiraten und dort ein neues Leben beginnen. Ich sorge für Unterkunft und einen Ausgleich für die verlustig gegangene Erbschaft meiner Base Katharina. Im Gegenzug verzichtet Christina auf alle weiteren Ansprüche an ihrem väterlichen Erbe.« Der Kurfürst blickte dabei den jungen Dietrich scharf an. »Und wir alle können dann den Mantel des Schweigens über diese tragische Angelegenheit breiten. Es wird kein unangenehmes Nachfragen oder lästiges Gerede geben. Falls Christina irgendwann einmal den Wunsch hegt, ihren Stiefvater oder Euch als ihren leiblichen Vater oder auch mich als den Verwandten ihrer Mutter zu besuchen, sollte das bestimmt möglich sein. Was meint Ihr dazu?«
Der Herr von Manderscheid atmete schwer. Er war in sich zusammengesunken. Der Kurfürst wollte soeben sein Angebot wiederholen, als Dietrich den Kopf hob und ein kaum hörbares »Gut« hauchte. Auch sein Sohn bekundete sein Einverständnis – schließlich befreite ihn diese Offerte ein für alle Mal von einem lästigen Streit um Erbteile. Über die Höhe der Mitgift ließ sich bestimmt noch handeln.
Otto nickte zufrieden. »Dann ist es so beschlossen.«
Dietrich I. zeigte nun an, dass er gehen wollte. Stöhnend stand er auf. Von seinem Sohn und seiner Schwiegertochter gestützt ging er müde hinaus.
Unvermittelt sprach der Kurfürst von Trier jetzt seinen Advokaten an: »Verehrter Krebs, wart Ihr schon in Himmerod wegen der Handschriften?«
Nikolaus war so überrascht, dass er nur den Kopf schütteln konnte. Er war noch völlig von den dramatischen Ereignissen der letzten Stunden gefangen. Mit der unerwarteten Lösung zu Christinas und Konrads Zukunft hatte er nicht gerechnet – so weit hatte er gar nicht gedacht.
»Ihr habt gute Arbeit geleistet. Ich habe gewusst, dass ich einen ehrgeizigen und klugen Mann bekommen habe. Aber nun sind Eure Angelegenheiten hier erledigt. Am besten reist Ihr noch heute weiter. Dann könnt Ihr mir bald mehr berichten. Ihr könnt beruhigt gehen. Ihr habt die Mörder gefunden und einige andere Geheimnisse lüften können. Wir kümmern uns nun um den Rest.«
Nikolaus stand mit offenem Mund im Palas und wusste nicht, was er sagen sollte. Hatte er so schnell seine Schuldigkeit getan? Aber warum auch nicht? Er hatte seine Aufgabe erfüllt – alles andere waren Familienangelegenheiten, die ihn nichts angingen. Der Kurfürst klopfte ihm auf die Schulter und verabschiedete sich dann förmlich.
Nikolaus nahm sein Bündel vom Tisch und schaute sich noch einmal rasch um. Die Manderscheider waren gegangen. Otto von Ziegenhain hatte seine Hände über dem Bauch gefaltet und lächelte zufrieden vor sich hin. Reginus Rüth stand regungslos am Fenster und starrte ins Leere, während sich Christina und Konrad küssten. Alle Nachforschungen waren zu einem akzeptablen Ende gekommen.
Eiligen Schrittes floh Nikolaus aus dem Tal, das ihm so viel Schmerz und so viele Qualen bereitet hatte. Ihn hielt nichts mehr im Schatten der Burgen.
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