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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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niemand. Es war feucht dort und dunkel und roch nach Regen. Sie kroch hinein und rollte sich zusammen wie ein verängstigtes Kaninchen. Sie schob sich in den hintersten Winkel und behielt den Eingang im Auge. Sie wagte kaum zu atmen. Ihr Herzschlag schien ihr so laut, dass sie sich fürchtete, der Mörder könne ihn hören.
    Sie zitterte wie Espenlaub. Vor lauter Angst nässte sie sich ein. Sie unterdrückte einen Jammerlaut. Sie ekelte sich und zitterte in der Nässe. Ihre Augen brannten, denn sie traute sich nicht, zu blinzeln. Ein fürchterlicher Druck schien ihren Kopf zu sprengen. Sie murmelte tonlos vor sich hin und versuchte, sich zu beruhigen. Nach einer unendlichen Weile schlief sie ein.
    Als sie die Augen aufschlug, blickte sie in glühende Augen. Eine Fratze, faltig, mit hornigen Warzen und langen Zähnen. Das Ding hauchte sie an. Stinkender Atem.
    »Du wirst vergessen«, knurrte das Ding.
    Katraana öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Sie formulierte Worte, doch kein einziger Laut kam aus ihrem Mund. Sie sprach, aber sie hörte nichts.
    »Wenn du nicht vergisst, wirst du sterben. Ich werde deinen Bauch öffnen und deine Gedärme fressen!«
    Bitte, bitte, lass mich in Ruhe. Ich habe nichts gesehen!, wollte sie jammern. Kein Laut.
    »Ich werde dir dein Herz aus der Brust reißen und es auf ein Holz spießen.«
    Sie weinte, schluchzte, hatte Angst, solche Angst.
    Das Ding schlängelte sich von ihr weg. Es glitzerte grün, war schuppig und hatte acht Klauen. Ein Wurm mit einem grausigen Gesicht. Das Ding wand sich vor ihr, dann erhob es sich, pendelte vor ihr hin und her und schnellte auf sie zu. Es wickelte sich um ihren Hals und drückte.
    Katraana keuchte, schrie nach innen, wehrte sich.
    Mein Kleid wird schmutzig!, dachte sie. Mein Vater wird sich ärgern!
    Vater?
    Ich habe keinen Vater!
    Niemanden, der für sie da war. Dennoch erinnerte sich an herzliche Gesten, an intensive Gefühle, an ein Gesicht, an das sie sich drückte, an warme, ermunternde Worte.
    Sie schluchzte und ekelte sich vor dem seifigen Ding. Sie wusste, dass es stärker war als sie. Es konnte sie erwürgen.
    Einen Herzschlag später war es verschwunden.
    Hatte sich einfach in Luft aufgelöst wie ein böser Traum.
    Katraana rieb sich die Augen, wunderte sich und träumte, sie habe geträumt. Ein Traum, in einem Traum in einem Traum. Eine Spirale des Grauen, immer tiefer wirkend, durch den Lehm, den Schlamm die Erde. Sie schüttelte sich, rieb sich mit bebenden Fingern das Kleid ab. Ein hübscher himmelblauer Stoff. Ein Elfenkleid, verziert mit Sternenstaub. Sauber!
    Sie versuchte aufzustehen, als sich der Fels öffnete. Zuerst hörte sie es. Klickende Laute. Schnell aufeinander folgend. Dann sah sie es. Unzählige Krabbler, ein Meer aus zuckenden Leibern, ergossen sich über sie, eine Welle aus Chinin.
    Nein! wollte sie schreien. Bitte, bitte – nein! Nach wie vor war sie stumm.
    Sie litt grässlich. Ihr kleines Herz drohte zu bersten. Das Gewimmel war auf ihren Beinen, auf ihrem Oberkörper, ihren Armen und drang in ihren Mund ein. Die Käfer wanden sich über ihre Zunge bis hinunter in den Magen, wo sie sich gegen ihr Gefängnis wehrten und pochten. Sie wollten sich durch ihren Leib in die Freiheit beißen.
    Katraana warf sich herum, wälzte sich über den Boden der Höhle und schrie. Sie zerdrückte winzige Körper, die knackten wie Nüsse oder aufbrechende Winterblüten. Schleim verschmutzte ihr Kleid. Erneut nässte sie sich ein. Warm lief es über ihre Beine. Ihre Finger drückten in warmen Schlamm. Der Boden unter ihr erwärmte sich. Wurde weicher. Wie eine flauschige Matratze. Blasen stiegen empor und die Krabbler versuchten sich zu retten, indem sie in ihren Löchern verschwanden, sogar jene, die in Katraanas Magen gelaufen waren. Sie quollen aus ihrem Mund und rutschten über ihren Hals.
    Katraana würgte.
    Warum konnten die Krabbler nicht genauso schnell verschwinden wie die sechskrallige Schlange?
    Der Stein unter ihr löste sich auf, wurde zu Gelee, in dem sie um sich schlug, während ihr Körper darin versank. Sie kannte diese Höhle. Hier hatte sie manche Phantasie geträumt. Bisher hatten sie die Feuchtigkeit und der leicht moderige Geruch nicht gestört. Offensichtlich musste es in einer Höhle so riechen. Dieser winzige Ort war ihr Refugium der Stille. Und nun veränderte sich alles. Stein war nicht mehr Stein, die Wände beugten sich über sie, glitschig schimmernde, mit roten Pilzen und blaugrauem Schimmel befallene

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