Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Sumpfgebiet zu sein. Ich wartete fünfhundert Jahre. Ich wusste, dass du unter dem Einfluss des Zorns ein jämmerlicher Kämpfer bist. Deshalb schenkte ich ihn dir. Der Zorn stiehlt dir die Vernunft. Ohne Vernunft lässt sich schlecht kämpfen. Du verlierst den Überblick. Du bist nicht mehr als eine verwirrte Maus.«
Ron traute seinen Ohren nicht. Seine Lippen bebten, als er fragte: »Das war dein Plan? Rache an mir zu nehmen? Darauf hast du fünfhundert Jahre gewartet? Warum jetzt? Warum nicht früher?«
»Weil wir uns an Vereinbarungen halten.«
»Dann hättest du über meinen Tod glücklich sein müssen!«
Okor lachte hart. »Glücklich? Es war eine der schwärzesten Stunden meines Lebens. Wohin mit meiner Rache? Ich ließ nichts unversucht, dich zu finden, deine Phantasten zu lesen. Stelle dir mein Vergnügen vor, als ich dich in König Rondrick von Dandoria fand! Mein Leben bekam endlich wieder einen Sinn. Und das, kurz bevor die Frist der fünfhundert Jahre abgelaufen war. Die Götter hatten meine Gebete erhört.«
»Warum hast du zugelassen, dass dein Volk abzog?«
»Einerlei, was geschah - ich werde dich töten. Ich werde Häuptling sein. Wer sich mir in den Weg stellt, wird sterben. Danach lasse ich meine Leute kommen und alles nimmt seinen Lauf. Verstehst du? Dieses Vergnügen möchte ich mit niemandem teilen!«
»Warum?«, stieß Ron hervor.
»Rache, mein Lieber! Rache!«
»Für was oder wen?«
Okor grinste hämisch. »Was denkst du?«
Ron wurde es schwarz vor Augen. Er versuchte, einen stabilen Eindruck zu machen und hielt seine Keule in Abwehrstellung. »Warum Rache, Okor?«
»Er war mein Sohn!«
»Dein …?«
»Du hast meinen Sohn getötet.«
»Jorgol war dein Sohn?«
»Deshalb werde ich dich töten!«
»Weiß dein Volk von deinem Plan?«
»Nein! Die Rache ist mein, nur mein. Niemand soll mir in die Quere kommen. Es gibt Dinge, die muss man alleine erledigen. Ich weine jede Nacht um meinen Sohn. Heute Nacht werde ich Frieden finden.«
Er ist verrückt!, erkannte Ron bekümmert.
Die Steiner hatten dem Disput atemlos gelauscht. Einige hoben ihre Waffen und drängten heran. Mit zornigem Knurren waren sie bereit, ihren Häuptling zu schützen.
Okor hob, ohne sich umzudrehen, eine Hand. »Bleibt, wo ihr seid. Greift ihr ein, werde ich wahllos metzeln. Früher oder später werdet ihr mich bezwingen. Mein Leben ist mir nichts wert, also fürchte ich mich nicht. Bis ich tot bin, sind mindestens ein Dutzend von euch vorausgegangen. Bin ich euch so viel wert? Was hier geschieht, ist eine Sache zwischen Ronius und mir.«
Seine Warnung zeigte Wirkung. Man sah sich unschlüssig an. Einige schienen sich zu entspannen. Offensichtlich verlor der Trank seine Wirkung. Sie murmelten, diskutierten.
»Lass es, Okor! Zerstöre nicht, was du dir in einem langen Leben aufgebaut hast«, rief Talus.
»Du hast mich gehört«, sagte Okor seelenruhig.
Blitzschnell fuhr seine Keule auf Ron zu. Sie war rasch wie ein Schatten und nur ein flinker Sprung zur Seite bewahrte Ron davor, tödlich getroffen zu werden. Mit einer fließenden Bewegung beugte Ron den Oberkörper und schlug seine Keule in einem mächtigen Halbkreis, dem Okor auswich. Sie hoben die Hölzer über den Kopf. Beide sausten nieder und krachten zusammen. Die Gegner schoben sich zusammen und standen Auge in Auge gegenüber, drückten und stöhnten vor Anstrengung. Ron sackte weg und Okors Keule rutschte in die Luft. Ron schlug zu und seine Waffe traf Okors Oberschenkel. Der Sumpfer lachte und bewegte sich weg, als sei nichts geschehen. Zum Glück war Rons Keule zwischen der Stachelbewehrung gelandet, sonst hätte sie festgesteckt und er wäre waffenlos gewesen.
Enorm biegsam machte Okor eine schleifende Bewegung, seine Keule beschrieb eine Acht, sie surrte durch die Luft und traf Rons Oberarm, der den Schlag ganz woanders vermutet hatte. Er taumelte und alle Kraft entwich seinen Fingern. Seine Keule rutschte ihm aus der Hand.
Instinktiv hielt er sich den Arm und stand regungslos vor Okor.
Worte, Sätze schwirrten hin und her.
»Nein!«
»Tue es nicht!«
»Er ist der Häuptling!«
»Bei den Göttern!«
»Ich liebte meinen Sohn«, flüsterte Okor. »Ich liebte Jorgol.«
»Ja …«, murmelte Ron und schloss mit seinem zweiten Leben ab. Mit galliger Bitterkeit sah er Okors Keule auf sich zuschnellen.
Sie stoppte - nur wenige Handbreit über Rons Kopf, verharrte und zitterte. Okors Augen weiteten sich. Seine Nasenflügel bebten. Speichel
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